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#1

Interviews

in Alles rund um die Band 06.03.2008 17:59
von Tillmania | 7.403 Beiträge
Hier könnt ihr Interviews von euren Lieblingen posten!

Lieder gibt es z.Z. auch hier nichts neues deshalb erst einmal
paar ältere Sachen.

Interview von Paul mit der Warschauer

Kann eine Note Rechts sein?

Mit kritischer Presse haben Rammstein Erfahrung. Ja, sind es denn alles blinde Fische mit festgefahrener Meinung, unfähig sich mit dem "Gegenstand" RAMMSTEIN und ihrer Botschaft ernsthaft zu befassen? Und ist der Vorwurf der gedankenverlorenen Provokation und das Ausdrücken des Etiketts "Rechts" unbegründet? Gesprochen wurde über den aktuellen Vorwurf des Video-Klaus, über deutsche Vergangenheit und Nationalgefühl, über Wodka und Moskau. Wer sich damit ein Bild von RAMMSTEIN machen möchte - nur zu: die Geister werden sich scheiden....

Wahrschauer: Ihr habt ja strenge Sicherheitsvorkehrungen, wenn ich vorher einen Antrag unterzeichnen muss, der ausdrücklich die Verwendung des Interyiews dem Wahrschauer zuschreibt. Warum habt ihr zu diesen Maßnahmen gegriffen?

Paul: Ich weiß gar nicht, wie streng die sind, da kümmere ich mich auch nicht drum. Wir haben ein Management, das uns bewacht, wie die Bank von England. Bis jetzt hatten wir viele gute Interviews, also scheint es ja zu funktionieren irgendwie. Vielleicht wurde auch schon öfter mal Missbrauch getrieben mit unseren Interviews, denn es geht ganz schnell, dass Leute versuchen, sich mit unserem Namen eine goldene Nase zu verdienen. Wir sagen immer : "Ach lass die doch", aber unser Manager sieht das gar nicht gern. Es wird alles kontrolliert, wobei es gemessen mit anderen Bands nichts besonderes ist. Ich war neulich im Hotel, bin runter gefahren in die Lobby und dann wurde plötzlich mit Blaulicht alles abgesperrt, nur damit Lenny Kravitz allein Fahrstuhl fahren kann! Die Hotelangestellten haben geweint, weil alles drunter und drüber ging, und ich sag mal, es gibt noch viel schlimmeres auf der Welt, als unsere Verträge. Also, wir fahren noch NORMAL Fahrstuhl!

W: Stimmt ihr euch mit eurem Management immer ab, oder können sie schalten und walten, wie sie wollen? Erst im nachhinein stellt ihr die Bescherung fest und denkt: "Musste das sein? War das nicht ein bisschen Hart?" Ich frage deswegen, weil es ja relativ viel Aufruhr wegen der http://www.rammsteinfan.de Seite gab und ich in diesem ganzen Hin und Her keine befriedigenden Infos gefunden habe. Daher mal aus erster Hand: Was war eure Kritik und was war euch der Dorn im Auge, so dass mit einer Unterlassungsklage und Geldbußen für die Betreiber "gedroht" wurde und er mittlerweile seine Seite umbennen musste?

Paul: OK, erstmal...also im Märchen ist es ja manchmal so, dass der König regiert, dabei hat der Schatzmeister alles heimlich in der Hand. Der König ist zum Vorzeigen und der Schatzmeister der wahre Regulator. So komme ich mir manchmal vor. Nichtsdestotrotz sagen wir alle, was wir gut finden, was aber nicht ausschließt, dass stellenweise Sachen passieren, die die Band in dem Moment nicht weiss. Also, wie gesagt, es passiert manchmal, dass das Management Sachen verbietet, die wir gar nicht verbieten würden. Nichtsdestotrotz werden uns durch das Management im positiven Sinne viele Sachen vom Hals gehalten. Die Webseite, die du ansprichst...da weiss ich eigentlich gar nicht, was da passiert ist. Normalerweise kümmere ich mich um bedrohte Tierarten, die ausgerottet werden, und ich habe mich auch in diesem Fall erkundigt, aber es war sehr, sehr kompliziert.

W: Normalerweise sollte man doch versuchen, sich die Fans zu erhalten und nicht, sie zu vergrätzen, oder?

Paul: Genau, gerade in den heutigen Zeiten sollte man die Fans hofieren und ihnen Honig ums Maul schmieren, und was machen wir? Wir verbieten die Fanseite! Genau das Gegenteil, von dem, was man machen sollte! Die Sache ist, dass wir eine Menge zu tun haben, und wir haben auch noch Familie, mit der wir Zeit verbringen wollen. Es gibt eben auch Sachen, um die kümmern wir uns nicht. Ich wollte mich Privat nochmal mit dem Webseiten-Mann treffen, weil es mich auch persönlich interessiert, was da passiert ist.
Ich war gern auf der Seite und habe mir immer die Bilder der Woche angeschaut und mich ganz doll gefreut. Wenn ich was wissen wollte, bin ich oft auf die Rammsteinfanseite gegangen.
Was unsere eigene Webseite betrifft: Damit hatten wir früher wenig zu tun, was schade ist, weil die uns auch gar nicht so gefiel. Wir haben sie jetzt von neuen Leuten umbauen lassen, und sie gefällt uns nun besser. Wir versuchen oft neue Sachen... Manchmal macht man Fehler.

W: Und dann möchte ich noch was zu dem aktuellen Vorwurf des Ideen-Klau vom Naked Lunch Video "God" für eure Single "Ohne dich" wissen. Was ist da dran?

Paul: Das habe ich auch erst durch einen Freund erfahren, der mir einen Link geschickt hat. In dem Fall war es so, dass die Idee komplett von dem Regisseur Jörn Heitmann kam, der natürlich mit der Plattenfirma nichts zu tun hat. Wenn man den Link sieht, könnte man denken, die haben das Video an uns geschickt und wir haben gesagt: "Toll, das klauen wir!". Wir kennen die Band nicht. Und nachdem ich das besagte Video gesehen habe, ist mir völlig unklar, wie man auf die Idee kommen kann, hier bestünde ein Zusammenhang mit unserem Video.

W: Laut Statement auf der Nacked Lunch Seite wurde das Video an Universal geschickt, die um Ansicht gebeten hätten mit der Bemerkung, dass es in Zusammenhang mit der Erstellung eines Videos für die Gruppe RAMMSTEIN stehen würde.

Paul: Nee, Universal gibt uns doch keine Video-Idee. Die Idee kommt entweder von uns, oder dem Regisseur. Der Regisseur arbeitet ja für uns, und nicht für Universal. Von denen wird er nun bezahlt. Ich habe ihn jetzt noch nicht gefragt, ob er dieses Nacked..., wie heißen die?

W: Nacked Lunch.

Paul: ...ja, ob er dieses Nacked Lunch Video schon mal gesehen hat.

W: Wäre jetzt auch traurig, wenn RAMMSTEIN die Ideen ausgegangen wären.

Paul: Nee, wir hatten vorher auch schon ne gute Bergidee. Ist ja nicht so, dass alle Bergvideos von Nacked Lunch sind. Ich weiss nicht, welche s Lied das war, ich glaube "Sonne" in 2001. Wir steigen auf den Berg, nach und nach stürzt einer ab und der letzte kommt oben an und sieht die anderen dort oben schon sitzen. Er wundert sich, dass ale so einen hellen Schein über den Köpfen haben, bis er merkt, dass er selber auch so einen Schein hat und auch schon Tot ist. Das war unsere Berg-Idee. Nichtsdestotrotz hätte die zu diesem Lied nicht so gut gepasst, und dem Regisseur war es wichtig, bei der stelle "und das Atmen fällt mir ach so schwer" Till dort unten liegen zu sehen. Inwieweit er davon jetzt beeinflusst war, weiss ich nicht.

W: Klar gibts unzählige Bergsteigerfilme und daher keinen Grund sich aufzuregen, daher muss es ja etwas Spezifisches sein, das zu dieser Aufruhr führt.

Paul: Eigentlich versuchen wir immer, Videos zu machen, die keiner macht. Ich kenne zum Beispiel keine Band, die schon auf dem Mond war wie in unserem Amerika Video. Aber jetzt meldet sich bestimmt eine Band und sagt, wir waren doch auch schon auf dem Mond!
Also ich kannte noch keine Band auf dem Mond und ich kannte auch keine Bergsteiger-Videos. Wir wussten, es gibt eine Junge Band aus Deutschland, die laufen durch die Landschaft..., wie heißen die?

W: VIRGINIA JETZT

Paul: Ja genau. Und wir dachten, Scheiße, jetzt wandern die, können wir da auch noch Wandern? Aber wir wussten auch, dass die nicht klettern. Also, da passen wir schon auf. Das nächste Video, was wir machen, da sind wir ganz Fett zu "Ich hab keine Lust", und ich hoffe, dass es nicht wieder eine Band gibt, die sagt: Wir waren aber als erster Fett!
Unsere Grundrichtung ist es, Sachen zu machen, die andere nicht machen. Ich werde aber den Regisseur fragen, ob ihm das NACKED LUNCH Video bekannt war.

W: Gibts dann eine Stellungnahme auf eurer Seite?

Paul: Nö, das machen wir nicht, denn wie gesagt, die Anschuldigung trifft uns nicht. Und ich meine, wie dumm wäre dass denn, etwas zu machen, von dem man genau weiss, das gibts schon??? A)haben wir unsere eigenen Ideen und B) ist es nicht unser Stil. Wenn die das denken von uns, dann sollen sie. Wir entschuldigen uns nicht mehr. Jeder hat seine Empfindlichkeiten und Befindlichkeiten, das haben wir im Laufe der Jahre in der Band gelernt und wir akzeptieren das. Wenn jemand etwas doof findet, dann soll er das, da werde ich keinem reinreden.

W: Ist das eine Art Bandphilosophie?

Paul: Ach na ja, es gibt schon viele, die damit noch nicht so gut umgehen können - mit der ewigen Kritik und den Vorwürfen, mit denen wir immer noch konftontiert werden. Ich gehöre zu denen, die ein bisschen darüber Kichern. Am Anfang hat es uns ganz schön gewundert, dann waren wir beleidigt oder genervt und inzwischen habe ich alles eingesehen, ich verstehe jetzt all die Leute, natürlich machen wir so weiter wie bisher, aber ich kann damit jetzt in einer lockeren Form umgehen.

W: War da jetzt ein bisschen Ironie mit dabei: "Ja, ja, ich verstehe die Leute..."?

Paul: Nee, nee, ich hab das wirklich gelernt. Vielleicht kann ich dir das an einem Beispiel 2 mal sagen. Till rollt das "R". Manche erinnern sich an alte Zeiten, Erinnerungen kommen hoch, die sie nicht gut finden und sie haben Assoziationen, die sie in keinster Weise tolerieren können. Ich hingegen denke "Hä, was habt ihr denn, der rollt doch nur das "R".

W: So wie die Bayern auch...

Paul: Ja, das hat Ernst Busch schon gemacht. Doch derjenige, den es betrifft, der sieht das trotzdem so und es interessiert ihn nicht, ob ich das anders sehe und das akzeptiere ich jetzt. Dann sage ich, OK, es tut mir Leid, dass du solche Assoziationen damit hast, ich kann dir aber nicht helfen. Vielleicht bist du in zwanzig Jahren entspannter und kannst dich auch an unserer Musik erfreuen, doch solange dir durch deine Scheuklappen, durch deine Erziehung oder deine Weltsicht unsere Band versperrt ist, kann ich dir nicht helfen. Ich weiss ja, wir sind unschuldig, ich weiss, wie wir es meinen, aber das brauch ich ihm nicht erzählen.
Es ist ja eigendlich ganz einfach: Zum Beispiel der Film "Kill Bill": Es gibt manche, die finden dass ganz doll grausam, es gibt welche, die finden es ganz doll lustig etc., und da kann Tarantino den Leuten noch so lange hinterher rennen und erklären, wie er es meint: Es ist derselbe Film.

W: Und so viele Meinungen gibt es darüber auch...

Paul: Genau. Bei mir trifft er zum Beispiel den Nerv, ich kann darüber Lachen, wenn da Köpfe rollen, und ich bilde mir ein, ich weiss, wie es gemeint ist. Während unser Produzent aus Schweden meint, dass das ein nutzloser Film sei. Aber er ist kein schlechter Mensch deswegen, ich verehre ihn und seinen Geschmack sehr. Wobei es bei uns nicht nur Geschmack ist, sondern auch das politische Korsett, in dem die Deutschen stecken, womit viele sich das Leben sehr schwer machen.

W: Man kann schon, wenn man die Musik hört, ohne Texte, diese Marschartige, Kraftvolle, die tiefe Stimme des Sängers und das gerollte "R" an das dritte Reich denken...

Paul: Wenn man ganz ehrlich ist, wird man an "deutsch" erinnert. Deutsch und drittes Reich würde ich nicht immer in einem Atemzug nennen. Auch Goethe, Schiller, Mozart und Ernst Busch sind deutsch und die haben mit dem dritten Reich nichts zu tun. Dass der deutsche denkt, dass Deutschsein immer drittes Reich heißt, da würde ich erstmal vehement gegen einschreiten wollen.

W: Deutsch zu sein, heisst nicht Nazi zu sein, OK, aber man kennt die Dokumentarfilme, man sieht das Marschieren, die flammenden Reden, die Euphorie der Massen etc. und wozu das alles geführt hat, wieiß man auch.

Paul: OK, dann steck uns mal in die Schublade: Wir machen böse, deutsche Marschmusik. Da kann ich aber nichts gegen sagen. Wenn es dich daran erinnert, darf es das auch. Aber die Frage ist, wann ist denn Musik rechts ohne Texte? Kann eine Note rechts sein? Kann eine Note deutsch sein? Wie viel Deutsch darf man sein?

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zuletzt bearbeitet 20.03.2008 19:33 | nach oben springen

#2

RE: Interviews

in Alles rund um die Band 06.03.2008 18:08
von Tillmania | 7.403 Beiträge
Ein Interview mit Richard aus dem Breakoutmagazin, von 1999

RAMMSTEIN

Die Ästhetik des Schmerzes

In Berlin sind sogar die Türken großstädtischer. In Attilas Kebap-Laden in der Prenzlauer Allee kann der Kunde zu seinem Döner jederzeit Bier, Wein oder zwanzig verschiedene Spirituosen haben inklusive eines gepflegten Raki natürlich, der andernorts wie etwa bei meinem türkischen Lebensmittelhändler daheim um die Ecke nur unter der Ladentheke steht: Der Koran verbietet Alkoholkonsum. Aber Berlin ist halt Berlin, und schon am Flughafen Tempelhof ist das Mädel im Zeitungsladen völlig begeistert, als sie spitzkriegt, daß ich ein Interview mit Rammstein mache: “Boah, die find‘ ich klasse! Bringst du mir ‘ne Autogrammkarte mit?“ Klar kriegt sie die, wenn auch nur ein Solo-Konterfeit von Gitarrist Richard Kruspe, aber dafür mit persönlicher Widmung.


Kruspe wohnt im Stadtteil Prenzlauer Berg im selben Haus Tür an Tür mit Rammstein-Manager Emanuel “Emu“ Fialik, dessen Freunde ihm gern aus aller Welt irgendwelche Dinge zusenden, die was mit dem australischen Laufvogel zu tun haben.

»‘Der Emu ist zwar kein besonders intelligentes Tier, hat aber recht schmackhaftes Fleisch‘«, zitiert Emu selbstironisch grinsend den Text, der auf einer entsprechenden Konservendose steht.

Mit unendlicher Liebenswürdigkeit sorgt der Rammstein-Manager für Kaffee, während Richard und ich erst mal die Zigaretten auspacken, um Emus Eßzimmer in eine Räucherkammer zu verwandeln. Richard ist ganz Glam und hat perlmuttfarbenen Nagellack aufgetragen; mit zurückhaltendem Charme harrt er der Fragen und taut im Laufe des Gesprächs mehr und mehr auf. Vordringlich ist dabei zu erfahren, wieso Rammstein zum Zeitpunkt dieses Interviews nicht wie geplant in Australien sind.

»Das Problem ist, daß wir momentan ganz einfach sehr ausgelaugt sind. Wir definieren uns zwar als Live-Band, aber wenn du das auf internationaler Ebene durchziehst, sind die Anforderungen noch viel größer. Da mußt du aufpassen, daß andere Dinge nicht zu kurz kommen. Wir waren jetzt zwei Jahre ständig unterwegs, dabei gerätst du in eine Maschinerie hinein, und die mußt du erst mal wieder anhalten. Du brauchst nach so einer Tour ganz schön Zeit, um bei dir selber wieder anzukommen. Außerdem ist es nicht jeder deutschen Band vergönnt, international zu spielen; dabei besteht durchaus die Gefahr, daß der Heimatmarkt zu kurz kommt. Und ich für meinen Teil habe dabei gemerkt, wo ich eigentlich zu Hause bin.«

Es ist auch nicht vielen deutschen Bands vergönnt, für einen Grammy nominiert zu werden. Ob man ihn kriegt, steht auf einem anderen Blatt; aber alleine schon die Nominierung ist eine reputierliche Sache.

»Das war das erste Mal in meinem Leben, daß ich mich hingesetzt und erst mal tief Luft geholt habe, als ich das erfahren habe. Das war schon ein sehr markanter Moment in meinem Leben. Ich kann gar nicht sagen, warum das so ist, ich weiß nur, daß es mich unheimlich gefreut hat«, erzählt Richard mit einer Mischung aus Immer-noch-überrascht-sein und dem unschuldig strahlenden Frohmut eines Dreikäsehochs.

Was macht euch denn für die Amis interessant?

»Es ist so, daß die Amerikaner Rammstein nur als Sound hören völlig losgelöst vom textlichen Hintergrund, den sie nicht verstehen. Tills Stimme ist für sie nur ein Sound, ein eigenes Instrument. Es ist das Gesamt-Bild, das für sie zählt, und das ist bei Rammstein eben ziemlich groß. Wenn man es genau nimmt, kann man sogar sagen, wir sind in Amerika erfolgreicher als in Deutschland und zwar ganz einfach deshalb, weil es viel schneller ging. Ich denke, man kann das letztlich aber gar nicht so genau erklären; es ist eine Gefühlssache, und man sollte auch nicht immer alles auseinandernehmen. Rammstein funktioniert nämlich nur in der Gesamtheit, wenn man etwas davon wegnimmt, dann geht das gar nicht mehr so richtig. Da gehört alles zusammen, auch die Bühnenkleidung...«

...die auch mal ein Maxikleid sein kann...

»...ja. Da gibt es innerhalb der Band zwar ganz unterschiedliche Auffassungen das ist auch der Grund, warum bei uns alles etwas länger dauert: Wir sind eine demokratische Band, deswegen dauern Entscheidungen bei uns sechsmal so lange. Aber letztlich sind es auch wieder diese verschiedenen Ansichten, durch die Rammstein funktioniert. Paul [Landers, Gitarre] hat kürzlich sogar in einem Interview gesamt, Rammstein sei Schmierentheater. Da bin ich ganz anderer Auffassung. Gut, so hart, wie es klang, hat er es auch nicht unbedingt gemeint, auch wenn es im Grunde schon seine Meinung ist. Aber für mich gehört dieses Drumherum wieder dazu, auch wenn ich das keineswegs bluternst sehe. Rammstein ist für mich ein bißchen wie der Film ‘Lost Highway‘: Man sieht ihn im Kino, und er ist toll. Aber in dem Moment, wo du darüber nachdenkst, funktioniert er nicht mehr. Rammstein ist Mystik, und man muß nicht immer alles erklären.«

Im April wollen Rammstein schon wieder auf US-Tour gehen und nach der “Family Values“-Geschichte diesmal ihre ganz eigene Headliner-Konzertreise durchziehen. Was steht sonst noch auf eurer Wunschliste?

»Südamerika und Kanada wollen wir noch machen, und dann ist natürlich ein ganz großer Wunsch der, in Rußland zu spielen.«

Ansonsten ist Richard derzeit dabei, die Musik fürs dritte Rammstein-Album zu schreiben, das im Frühjahr 2000 erscheinen soll. Zwar wird in der Band im Prinzip nur gemacht, wofür alle stimmen, dennoch geht der kreative Prozeß erst mal im stillen Kämmerlein des Herrn Kruspe vor sich.

Was ihn dabei beflügelt, was das mit Wagner und Schlager zu tun hat, und wo die Verbindungen von Rammstein, Leni Riefenstahl und sozialistischem Realismus liegen, steht im neuen Break Out 3/99. Ein künstlerisch absolut wertvolles Heft, das ihr euch hinterher eingerahmt an die Wand hängt.


Text Interview: Mike Seifert

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zuletzt bearbeitet 20.03.2008 19:33 | nach oben springen

#3

RE: Interviews

in Alles rund um die Band 06.03.2008 18:18
von Tillmania | 7.403 Beiträge
Ein EMP - Interview mit Olli zu "Roesenrot", Oktober 2005


Nun sind sie wieder zurück. Schneller als von allen Fans erwartet. Rammstein, die Vorzeigeband aus deutschen Landen, die einzig wahren, verbliebenen Superstars der heimischen Rockszene. Ähnlich wie bei ihrem Doppelschlag mit "Herzeleid" und "Sehnsucht" vor 10 Jahren, legen die Berliner mit "Rosenrot" den Nachfolger zum revolutionären "Reise, Reise"-Longplayer nach. Doch bevor wir Basser Oliver Riedel zu Wort kommen lassen, der seinen Gedanken auf einem Hausboot in Paris freien Lauf lässt, noch mal eine kurze Retrospektive auf die steile Karriere der Einheit Rammstein.

Es begab sich im Jahre 1995 als mir ein Tape einer unbekannten, deutschen Band vorgespielt wurde. Ein Newcomer wie jeder andere? Weit gefehlt! Die druckvolle Produktion, die schneidenden Gitarren und die martialischen Texte - etwas nie Dagewesenes. Zu Beginn will die Band als Einheit verstanden werden, die Individuen spielen zuerst keine Rolle. Die Stärke bezieht Rammstein aus ihrem Zusammenhalt und der Kameradschaft. Das Sextett schwimmt sich frei!

Bereits zu DDR-Zeiten spielen alle Mitglieder bei diversen Szene-Bands. Christian "Flake" Lorenz musiziert zusammen mit Paul Landers bei den sogar im Westen bekannten Feeling B, Oliver Riedel zupft bei den mittlerweile aufgelösten The Inchtabokatables den Bass, Sänger Till Lindemann verdingt sich bei First Arsch als Schlagzeuger und Christoph Schneider trommelt bei Die Firma. Einen völlig anderen Weg beschreitet Klampfer Richard Kruspe. Noch vor dem Mauerfall flieht er über Ungarn und Österreich nach Westdeutschland, wo er eine Band namens Orgasm Death Gimmick gründet. Kurz nach dem Mauerfall 1989 kehrt er in seine Heimatstadt Schwerin zurück, um für kurze Zeit bei Das Auge Gottes in die Saiten zu greifen. Dort trifft er auf Till Lindemann, den ehemaligen Auswahlschwimmer der DDR und Vizeeuropameister im Jugendbereich, der sein Geld als Korbflechter verdient. 1994 entsteht ein gemeinsames Projekt, das neben Kruspe auch Lindemann, Riedel und Schneider auf der ersten Demo präsentiert. Das Quartett wird durch Landers und Lorenz verstärkt und so bewirbt man sich mit dem Demo bei einem Bandwettbewerb, bei dem ein Studioaufenthalt winkt. Spiel, Satz und Sieg für das Sechserpack! 1995 sind sie als Support für Project Pitchfork auf Tour, unterschreiben ihren Deal mit Motor Music und beginnen mit Unterstützung von Clawfinger-Produzent Jacob Hellner mit den Aufnahmen für das Debut "Herzeleid".

Das Ausland beäugt Rammstein zuerst ebenfalls sehr kritisch und sieht in ihnen eine schlichte, kalte Melange aus Alice Cooper und Marilyn Manson. In Deutschland räumt "Herzeleid" in kürzester Zeit völlig ab. Die perfekte Mischung aus tonnenschweren Gitarrenriffs, exzessiven Technobeats sowie ausdrucksstark-provokanten Lyrics, verleiht Rammstein ihre Einzigartigkeit. Dank dem bekannten Filmemacher David Lynch, der die Tracks "Rammstein" und "Heirate mich" für seinen "Lost Highway"-Soundtrack verwendet, wird über Nacht in Amerika das Rammstein-Fieber entfacht.

1997 räumt "Sehnsucht" außerhalb Deutschlands vor allem in den USA megamäßig ab. Eine gigantische Tour folgt zwischen 1998 und 1999. Nach dem relativen, kommerziellen Ableben der Scorpions gilt das Berliner Sextett heute so ziemlich als einziger deutscher Act von internationaler Bedeutung.

2001, nach extensiven Live-Aktivitäten, erscheint das dritte Studioalbum "Mutter", das wie auch der Vorgänger direkt nach Veröffentlichung die Pole Position der Charts einnimmt. Rammstein sind auf dem Rock-Olymp und ziehen sich nach einer fantastischen Konzertrundreise ins Privatleben zurück. Erst im Sommer 2004 erscheint dann die neue Platte "Reise, Reise" und avanciert bereits im Oktober zur erfolgreichsten europäischen Langrille des Jahres 2004 und noch während der laufenden Sommer-Shows kündigt die Band für Oktober 2005 einen Nachfolger an.

Nun ist an der Zeit Bassmann Oliver Riedel zu befragen, wie es denn dazu kam, dass Rammstein nach "Reise, Reise" so schnell schon wieder eine neue Platte am Start haben.

"Wir hatten zu der 'Reise, Reise'-Session bereits 18 fertige Titel aufgenommen - hatten also schon sieben neue Songs für ein weiteres Album komplett. Wir wollten nicht so lange warten bis wir diese auch veröffentlichen. Bei uns ist es so, dass wenn wir Tracks aufnehmen und sie dann zu lange liegen lassen, sie für unseren Geschmack immer schlechter werden. So hatten wir ursprünglich die Idee die neue Platte als 'Reise, Reise 2' zu releasen. Die Fans sollten wissen, dass diese Aufnahmen auch aus der alten ,Reise, Reise'-Session stammen. Wir mussten noch vier/fünf neue Lieder schreiben, was wir in den letzten drei Monaten getan haben. Das Resultat ist nun ,Rosenrot'."

Hierbei sind Parallelen zu "Herzeleid" und "Sehnsucht" erkennbar. Dort hattet ihr auch schon fast die komplette "Sehnsucht" mit aufgenommen. Eigentlich sollte ja auch das Stück "Sehnsucht" mal "Afrika" heißen. Ist diese Art Aufnahmetaktik ein bevorzugtes Instrument von euch?

"Eigentlich nicht, da wir diesmal die Stücke, die wir bereits zu ,Reise, Reise' aufgenommen hatten auch so belassen und nichts mehr daran geändert haben. Bei ,Sehnsucht' damals haben wir noch vieles neu und anders gemacht."

Das Stück "Rosenrot" zählt ja auch zu den fertigen Songs aus der ersten Session und sollte damals schon die erste Single werden. Nun wird der neue Longplayer "Rosenrot" heißen und das gleichnamige Stück wird dennoch nicht als erste Auskopplung veröffentlicht?

"Als wir wussten, dass wir sieben fertige Songs haben und ,Rosenrot' zu den stärkeren Nummern zählte, haben wir uns dafür entschieden die neue Platte ebenfalls ,Rosenrot' zu nennen"

bekräftigt Oliver.

"Jede Platte hat starke und schwächere Nummern und für die neue Scheibe wollten wir gute Songs in der Hinterhand behalten. ,Reise, Reise' wollten wir ja auch ursprünglich etwas härter gestalten und wenn man sich den neuen Silberling anhört sind halt auch wieder einige ruhigere Ideen dabei. ,Rosenrot' ist viel melancholisch-romantischer als ,Reise, Reise' obwohl die Aufnahmen teilweise aus der gleichen Zeit stammen."

In eurem neuen Info zu "Rosenrot" wird der Spagatschritt unternommen, eine Verbindung zwischen Goethe, den Gebrüder Grimm bis hin zu Rammstein herzustellen - was durch die Art der Lyrik in Tills Texten oft genug nicht von der Hand zu weisen ist.

"Dies steht bei uns in der Band überhaupt nicht im Vordergrund. Natürlich ist das lyrische und romantische in Tills Texten vorhanden, nur ist ein Vergleich mit Goethe oder den Gebrüder Grimm von unserer Seite her nicht beabsichtigt oder gar gewollt."

Das Frontcover zur neuen Platte "Rosenrot" ist eigentlich im großen und ganzen das Cover der japanischen Version von "Reise, Reise". Wie kam es dazu? Dies ist ein sehr ungewöhnlicher Weg Cover-Motive auszusuchen.

"Die Japaner wollten nicht das normale ,Reise, Reise'-Cover übernehmen, was ich persönlich ziemlich dreist finde, aber die meinten das mit dem Flugschreiber-Cover machen sie nicht und wir sollten doch ein anderes Motiv an den Start bringen. Wir haben ihnen dann einen Vorschlag gemacht - das war der mit dem Boot - und den fanden sie gut. Letztendlich hat uns aber auch selber das Motiv so gut gefallen, das wir nun das ,Rosenrot'-Cover draus gemacht haben. So wird es nochmals für alle zugänglich und ist nicht nur für die Japaner! Zuerst sollte die Platte ja ,Reise, Reise 2' heißen und dies hätte vom Motiv her auch besser gepasst. Aber nun heißt halt das Schiff 'Rosenrot' und das ist auch okay."

Gehen wir mal ein paar Tage zurück. Zu "Reise, Reise" habt ihr nicht in Amerika getourt, ein Land, das Rammstein frenetisch abgefeiert hat. Wie kam es dazu wo doch euer Gitarrist Richard in den Staaten lebt und Rammstein dort sehr populär sind?

"Wir wollten ursprünglich im Oktober/November in Südamerika und Mexiko eine Tour spielen. Nur mussten wir leider alles absagen, weil unser Keyboarder Flake mit Mumps im Bett lag. Was Amerika betrifft, ist es letztendlich so: beim dortigen Touren fressen dich die horrenden Kosten auf. Momentan ist es auch etwas undankbar mit Amerika - okay wir können dort überall in den größeren Clubs vor 2.000 bis 3.000 Leuten spielen, aber wenn du zur gleichen Zeit in Europa vor 10.000 oder 15.000 Fans spielen kannst, ziehst du Europa automatisch vor. Durch lange Touren haben wir alle sehr viel Energie verloren. Wenn wir vielleicht in den Staaten mal einen großen Hit haben, der dann auch von den Radiostationen unterstützt werden würde - denke ich, würden wir den Markt USA auch nochmals in Angriff nehmen. Man muss dort sehr viel Promotion machen und richtig hart an einem Erfolg in arbeiten. Die Amerikaner vergessen halt schnell, die Mentalität in Europa ist eben eine ganz andere. Wir sondieren die Märkte für uns. Zu ,Reise, Reise' haben wir in ganz Europa und in Japan gespielt. Eigentlich müssten wir auch noch nach Australien, und die Südamerika- und Mexiko-Tour versuchen nachzuholen, wenn Flake wieder in Ordnung ist."

Eure Tourneen sind ja mittlerweile auch schon zu richtig bombastischen Materialschlachten ausgeufert. Seid ihr dem nicht überdrüssig und wie kommt ihr damit auf den monatelangen Reisen zurecht?

"Trotz des großen Erfolges und der langen Tourneen ist intern bei uns alles okay, denn durch den Standard, den wir mittlerweile auf Tour haben, hat jeder einzelne von uns seine Freiräume und man kann seinen persönlichen Wünschen und Angelegenheit nachgehen. So ist das ganze sehr angenehm und dadurch macht auch das Touren wieder sehr viel Spaß."

Wie sieht es mit einer "Rosenrot"-Tour aus - können sich die deutschen Fans darauf freuen?

"Momentan planen wir noch keine Tour mit ,Rosenrot'. Wir sprechen darüber die Südamerika und Mexiko-Shows eventuell nachholen und vielleicht nächstes Jahr einige Festivals spielen."

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zuletzt bearbeitet 20.03.2008 19:34 | nach oben springen

#4

RE: Interviews

in Alles rund um die Band 06.03.2008 18:23
von Tillmania | 7.403 Beiträge
Interview mit Paul, 2.11.2005

Rammstein - «Rosenrot»

Aufgetankt

Martialische Altersmilde: Rammstein veröffentlichen die Überbleibsel der «Reise, Reise»-Sessions. Gitarrist Paul Landers über Verträge, Stumpfsinn und spanische Texte.

«Rosenrot» ist Teil zwei von «Reise, Reise», und es heisst, ihr habt die Songs aus klangästhetischen Gründen zweigeteilt. Ich hör das nicht.

Paul Landers: Das hat wohl auch die Plattenfirma formuliert. Ich sag mal so: Wir haben für «Reise, Reise» mehr Lieder aufgenommen, als wir auf einem Album veröffentlichen wollten. Bei Aufnahmen bleibt immer Ausschuss übrig, aber diesmal konnten wir nichts wegschmeissen, die Lieder waren alle zu gut.

Dumm gelaufen.

Ja, wir haben uns auch gewundert und waren mit der Situation etwas überfordert. Da kam dann schnell jemand auf die Idee, gleich noch eine Platte nachzulegen.

Viele Bands machen das, um einen Vertrag zu erfüllen.

Das ist Grund B – unser Vertrag mit Universal ist jetzt durch.

Und was kommt danach?

Jetzt machen wir erst mal Pause, bevor wir uns vollends an die Gurgel gehen. Nach dem Motto: vor dem Schaden klug sein. Immer nach dem Öl kieken, Kühlwasser nachfüllen, neue Reifen ruff und dann gehts weiter.

Also keine Tour?

Nein. Um Musik machen zu können, muss man zwischendurch leben. Nicht so ein Musikerleben, sondern ein menschliches. Sonst brennt man aus und hat keine neuen Ideen mehr.

Schade, euer Konzert in Basel war erstklassig – klanglich und showtechnisch.

Danke schön. Der Klang ist neben dem guten Mischen auch schlicht eine Geldfrage. Das ist schweineteuer. Wir investieren viel Geld in eine überdimensionierte Soundanlage.

Die Show scheint euch ebenso wichtig.

Die kommt noch dazu, aber der Klang ist das A und O. Gerade bei unserer Musik, wo jeder gegen jeden spielt, so laut er kann. Da brauchts eine gute Anlage. Willst du das Kornfeld mähen, muss die Sense scharf sein.

Die Provokation ist euer liebstes Stilmittel. Das aggressiv Zynische weicht aber immer mehr der Ironie.

Ja, aber das ist nicht beabsichtigt. Das hat sich einfach so entwickelt.

Altersmilde?

Gute Frage. Wir entwickeln uns halt. Ob die Richtung gut ist? Ich hoffe es. Ich merke schon, dass die Lieder melodiöser werden, doch wichtiger als hart ist gut. Wir hätten aber auch mal wieder Lust auf ein richtiges Klopferalbum.

Mit «Zerstören» habt ihr ja einen neuen Puncher.

Genau. So was macht live am meisten Spass. Bei sanften Liedern wie «Ohne dich» fühlt man sich auf der Bühne oft verloren. Bei «Feuer frei» oder «Sonne» hat man wenigstens was zu tun. Rhythmus und Gitarre geben schon ne Bewegung vor. Da lässt man sich einfach treiben.

An «Mann gegen Mann» wird sich die homophobe Rockerwelt dafür stören.

Wenn du das so sagst …

Naja, eure Lederkluft steht ja eher für das klassische Macho-Rockertum.

Ich glaube, bei uns gibt es alles – und die Palette wird immer bunter. Wir sind mal ganz doll brutal und martialisch, aber dann auch wieder zart und komisch – manchmal aus Versehen. Für eine Oma sind wir einfach nur stumpfsinnig und doof, aber es gibt Leute, die das anders zu schätzen wissen.

Den südamerikanischen Fans habt ihr mit «Te quiero puta» einen Song gewidmet.

Till ist oft in Costa Rica und hatte dort immer Probleme, Drinks zu bestellen. Also hat er Spanisch gelernt.

Der Song könnte vom Text her ein Ballermannknaller werden auf Mallorca.

Mit solchen Voraussagen würde ich vorsichtig sein. Uns ist es wichtig, zu zeigen, dass wir nicht auf Deutsch festgelegt sind. Wir singen Deutsch, weil das unsere Heimat ist, verwenden aber auch andere Sprachen.

Wirklich heikel ist «Spring». Handelt es sich da um Sterbehilfe oder Mord?

Ja, ein heikles Thema. Der Protagonist wollte eigentlich nicht springen, bloss oben auf der Brücke stehen und in die Sonne gucken. Vielleicht wollte er es aber auch und wusste es nicht.

Die Publikumanfeuerungen im Refrain erinnern an die Reality-Shows am TV.

Genau. Ich sehe darin die Unglücksgeilheit der Leute. Es brennt ein Haus oder einer will vom Dach springen – prompt versammeln sich die Gaffer. So was zieht magisch an. Der Mensch ist so gebaut, der findet das gut. Er tut zwar empört oder betroffen, aber er ist schlecht, will Ärger sehen und sich am Unglück anderer weiden.

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zuletzt bearbeitet 20.03.2008 19:34 | nach oben springen

#5

RE: Interviews

in Alles rund um die Band 06.03.2008 18:57
von Tillmania | 7.403 Beiträge
Interview mit Paul, 2005

Rammstein
"Wir sind linke Patrioten"


Nachdem Rammstein ihre Fans zuletzt drei lange Jahre auf einen Nachfolger zum 2001er Album "Mutter" warten ließen, schalten sie nun den Turbo ein: Nur ein Jahr nach "Reise, Reise" liegt mit "Rosenrot" in diesen Tagen bereits ein weiteres Album des Berliner Sextetts vor. Doch was ist "Rosenrot"? Vollwertiges Rammstein-Album oder eilig nachgeschobene Resteverwertung zum schnellen Abkassieren?
 
Darüber und über eine Dekade Rammstein sprachen wir mit Vielredner, Hobbykoch und Gitarrist Paul Landers, 40, der sich auch nach zehn Jahren "musikalisch bei Rammstein verwirklichen kann", und von dem es daher "mit Sicherheit nie ein Solo-Album geben wird." Ebenfalls kommt nach wie vor kein Interview mit der martialisch auftretenden Band ohne Link zur aktuellen Nationalismus-Debatte im Pop aus. Und hier erfuhren wir Erstaunliches: Landers, der zum Interview in einer geräumigen Suite des Berliner Hyatt Hotel Hof hielt und sich dort wegen der räumlich an eine Praxis erinnernden Begebenheiten "fast wie ein Arzt oder Psychiater" fühlte, ist laut Eigenauskunft ein "linker Patriot" und bei seiner Band solle man "ruhig davon ausgehen, dass wir immer das Richtige meinen".
 
Paul, mit "ROSENROT" liegt nun nur ein knappes Jahr nach "Reise, Reise" bereits der Nachfolger vor - für Rammstein-Verhältnisse ist das sensationell schnell. Wie kommt das?
 
Wenn wir ein Album machen, nehmen wir immer mehr Lieder auf als wir brauchen. Das ist wie beim Kochen. Jeder kennt doch die Situation: Die Eltern kommen zu Besuch, man will etwas ganz besonders Gutes kochen, aber aus irgendeinem Grund funktioniert's nicht - obwohl man sich streng an das Rezept gehalten hat. Um in so einem Fall nicht mit leeren Händen dazustehen, greift man dann eben auf ein Lied von der Ersatzbank zurück, von dem man weiß, dass es funktioniert hat und den Rest verwirft man. Bei den "Reise, Reise"-Sessions war es aber nun so, dass "dummerweise" alle Lieder gut geworden sind und wir auf einmal vor der Frage standen, was wir nun mit dem ganzen tollen Material machen sollen. Die Lösung, ein weiteres Album aufzunehmen, erwies sich als die beste, weil wir mit "Rosenrot" nun endlich unseren aktuellen Plattenvertrag, der über fünf Alben ging, erfüllt haben. Außerdem reizte uns der Gedanke, auch künstlerisch mal ein schnelles Album aufzunehmen. Dazu muss man wissen, dass wir ein sehr schwerfälliger Verein sind. Wie ein großer Tanker, der durch die Weltmeere tuckert. Es kann ewig dauern, bevor da mal eine Kursänderung stattfindet.
 
Auf dem Cover der aktuellen Platte steckt der Tanker sogar fest...
 
Genau. Jedenfalls muss man sich die beiden Platten im Prinzip als Doppelalbum denken. Zuerst wollten wir die Scheibe sogar "Reise, Reise 2" nennen. Das haben wir aber nun verworfen, da "Rosenrot" als eigenständiges Rammstein Album zu sehen ist. Trotzdem gehören beide Platten zusammen, sie erscheinen eben nur zeitversetzt. Einige der Songs waren zum damaligen Zeitpunkt auch noch gar nicht fertig geschrieben, da fehlten teilweise noch die Texte. Dann wollten wir auch endlich mal ausprobieren, wie es ist, in Berlin aufzunehmen - das hatten wir noch nie gemacht. Es hat allerdings nicht so gut funktioniert. Es geht einfach nicht, wenn man gerade vom Steuerberater kommt und dann ins Studio geht und "Zerstören" singt.
 
Du sprachst von eurem erfüllten Vertrag und übrig gebliebenen. Ist "Rosenrot" am Ende gar kein vollwertiges Rammstein-Album, sondern nur eine lukrative Form der Resteverwertung?
 
Auf keinen Fall. Das ist ein komplettes Rammstein-Album, das unseren Ansprüchen voll genügt - wo Rammstein drauf steht, ist auch Rammstein drin. Der einzige Unterschied zu unseren vorherigen Platten ist der, dass die Lieder keine musikalische Weiterentwicklung dokumentieren, da sie thematisch "Reise, Reise" zugehörig sind.
 
Ein Doppelalbum hätte ja eh nicht funktioniert, da ihr ja die eiserne Regel habt nicht mehr als elf Songs auf ein Album zu nehmen.
 
Ja, in der Kürze liegt die Würze, seltener Besuch mehrt die Freundschaft usw. Da sind wir wieder beim Essen: Wenn du sechs Tage hintereinander dein Lieblingsgericht isst, kannst du das irgendwann nicht mehr sehen. Deshalb versuchen wir immer alles kurz zu halten. Auch die Konzerte sollen nicht zu lang sein. Die Leute langweilen, das können andere machen. Wir wollen unterhalten.
 
Noch mal kurz zurück zum Bild mit dem festgefahrenen Tanker auf dem Cover. Wie vermeidet ihr zu große Routine, wie haltet ihr das Projekt Rammstein frisch?
 
Da wir sechs Leute sind, hatten wir eigentlich immer mehr Aufregung als uns lieb sein kann. Die einzige feste Größe ist unser Produzent, aber ansonsten hat es in den letzten zehn Jahren schon ganz schön in den Nähten geknistert. Da wäre uns manchmal ein bisschen mehr Routine durchaus recht gewesen. Glücklicherweise haben wir uns aber bislang immer wieder berappelt.
 
Wie hat sich euer Verhältnis zueinander denn über die Jahre gewandelt. Ist das eine reine Arbeitsbeziehung oder gibt es nach wie vor private Kontakte untereinander?
 
Wir haben als reine Freundschaftsband angefangen und die meisten Freundschaften innerhalb der Band sind eigentlich noch genauso wie vorher. Klar, ein bisschen hat sich da schon getan. Wenn du jemanden zehn Jahre lang beinahe jeden Tag siehst, bekommst du schon ein anders Bild von ihm. Insgesamt aber hat sich nicht so viel geändert und in letzter Zeit läuft es sogar wieder besser zwischen uns als noch vor einigen Jahren. (Klopft auf Holz)
 
Das ist ja auch verdammt wichtig, dass die Chemie stimmt, oder?
 
Auf jeden Fall. Erst jetzt wissen wir so richtig zu schätzen, was wir mit der Band haben. Man denkt sich irgendeinen Mist aus und die Leute hören sich das an, bezahlen sogar Geld dafür und ermöglichen uns, um die ganze Welt zu reisen. Das war uns früher gar nicht so richtig bewusst, wie einzigartig und toll das ist. Der Unterschied zu Gerhard Schröder zum Beispiel ist: Wir können immer weitermachen und er muss, wenn ihn keiner mehr haben will, den Frontmann-Job abgeben und im übertragenden Sinne auf einmal wieder Ton-Mann machen.
 
Aber ihr könnt ja auch gewissermaßen abgewählt werden.
 
Nee, eben nicht.
 
Na ja, wenn das Publikum die Platten nicht mehr kauft und die Konzerte nicht mehr besucht, kommt man vielleicht irgendwann wieder auf ein Level, wo man nicht mehr von der Musik leben kann.
 
Das stimmt natürlich. Aber so was kommt allmählich und nicht mit einem Schlag. Darauf könnte man sich rechtzeitig einstellen.
 
Wichtig, damit so was nicht passiert ist ja, dass eine Entwicklung stattfindet. Würdest du sagen, dass ihr euch über die Jahre weiterentwickelt habt und vielleicht sogar Risiken eingeht?
 
Wir haben verschiedene Charaktere in der Band. Einige von uns scheuen sich vor jeder Art von Veränderung. Sie wollen stets die alten Strukturen bewahren und fahren auch alte Autos. Andere wiederum haben immer das neueste Auto und streben nach Weiterentwicklung. Dadurch ist es uns bis jetzt gelungen, eine gute Mischung aus Bewährtem und Neuem zu machen. Wenn man so will, sind wir wie eine Mischung aus AC/DC, wo ein Lied wie das andere klingt, und Bands wie U2 oder Depeche Mode, die in jeder Phase ihrer Karriere Wagnisse eingegangen sind. Insgesamt haben wir uns sehr verändert, aber eben nicht auf einen Schlag, sondern Stück für Stück.
 
Durch die Rammstein-typischen Gitarren-Riffs und das charakteristische Organ von Till Lindemann seid ihr natürlich aber schon auf eine bestimmte Richtung festgelegt. Man nimmt dadurch vielleicht als Außenstehender Veränderungen nicht ganz so massiv war, wie euch das selber vorkommt...
 
Es ist ganz einfach: Von Bands, die einen nicht interessieren, klingt jeder Song gleich. Wenn ich meiner Oma das "Black Album" von Metallica vorspiele und danach "Reload", dann ist das für sie zweimal unerträglicher Lärm. Sie wird kaum in der Lage sein, nachzuvollziehen, was für eine gigantische Entwicklung die Band zwischen diesen Alben gemacht hat. Wer sich für die Musik interessiert, nimmt die Unterschiede und die Entwicklung war, die bei uns stattgefunden haben.
 
Stichwort Routine: Wie ist das auf Tour? Passieren da nach all den Jahren noch aufregende besondere Dinge oder ist das immer ein ähnlicher Ablauf?
 
Vom Ablauf her gleicht sich das schon sehr, aber man kann die Lebensqualität mehr schätzen als am Anfang. Ich weiß jetzt, wo in Barcelona ein gutes Cafe ist, wo es in Mailand gute Spaghetti gibt oder wo ich in Paris ein gutes Sandwich kriege - das fetzt.
 
Ihr habt ja auch Erfolg in eher Rock'n'Roll-untypischen Ländern wie Russland oder Mexico. Du bist als Russland-Fan bekannt und ihr seid dort auch viel unterwegs. Man hört von dort tourenden Bands immer wieder von der Notwendigkeit, ständig irgendwelche Leute schmieren zu müssen. Habt ihr diese Erfahrung auch gemacht?
 
Wir haben in Russland Mäzene, die stets ihre schützende Hand über uns halten. So müssen wir zum Beispiel am Flughafen nie durch die Zoll-Kontrolle. Von daher habe ich da eine ziemlich verzerrte und vermutlich realitätsferne Sichtweise.
 
Verstehe. Das Live-Konzept ist ja ebenfalls eine unerschütterliche Größe im Rammstein-Universum, es ist über die Jahre relativ stabil geblieben. Wie lange kann man so was machen?
 
Wir wollen immer mehr brennen, lauter, heller strahlender sein; sind aber langsam an einem Punkt, an dem wir eigentlich fast keinen mehr draufsetzen können - da müssten wir schon anfangen, ganze Häuser auf der Bühne abzubrennen. Nichtsdestotrotz bin ich nach wie vor zufrieden mit der Show, ich kann das immer noch unterschreiben. Vor ein paar Jahren hatten wir mal eine gewisse Feuermüdigkeit und haben versucht, Wasser in die Show zu integrieren. Aber Wasser und Rock-Musik mit lauten Gitarren passen einfach nicht zusammen, es gibt schon einen Grund, warum das keiner macht.
 
Ozzy Osbourne macht das.
 
Ach ja, der kippt seine paar Eimer ins Publikum, oder was?!
 
Nee, der hat so ein ausfahrbares Druckstrahl-System, mit dem er dann die ersten 30 Reihen von oben bis unten einnässt.
 
Wasserkanonen. Hatten wir auch schon, das geht - kann man machen. Aber ich meinte jetzt Wasser auf der Bühne und nicht das Publikum nass spritzen. Jedenfalls hat sich das mit dem Pyro-Kram soweit verselbstständigt - wir können gar nicht mehr anders.
 
Wäre das denn vielleicht ein Traum von euch, einmal nur wegen der Musik wahrgenommen zu werden und auf den ganzen Kram verzichten zu können?
 
Das ist ein schwieriges Thema. Wie groß ist der Anteil der Show an unserem Erfolg? Ich bilde mir ein, dass wir auch ohne diese Bühnen-Show relativ erfolgreich wären, da ja die Musik ihre Qualität besitzt. Aber die Frage stellt sich eigentlich nicht mehr so. Einerseits lenkt natürlich jeder Effekt von der Musik ab und macht die Sache zu so einer Art Zirkus. Andererseits ist das nun einmal bei uns so. Wir werden nie im Holzfällerhemd auf der Bühne stehen, stundenlange Soli spielen und uns gegenseitig hochschaukeln, das passt nicht. Da wir mit Sequenzern spielen, sind wir musikalisch auf der Bühne an ziemlich starre Vorgaben gebunden. Wir haben schon versucht, das zu durchbrechen, indem wir improvisierte Parts eingebaut haben, aber nach drei Mal haben wir dann doch wieder immer dasselbe gespielt. Das liegt vielleicht an unseren deutschen Wurzeln. Wir lieben es zu wiederholen, zu repetieren und mit stumpfem Gesicht immer wieder dasselbe zu machen.
 
Das Monotone macht ja auch zu einem Gutteil euren Stil aus.
 
Ja, es gibt zwar einige von uns, die von manchen Songs die Schnauze voll haben und dann nehmen wir auch einmal eine Nummer aus dem Programm. Die meisten in der Band aber lieben es, immer dasselbe zu machen. Das stumpfe Wiederholen des immer selben. Wie im Theater, also auch wenn's vielleicht bitter klingt: Ich sehe uns ein bisschen wie ein Musiktheater. Wenn man den Hamlet spielt, kann man auch nur in ganz geringem Maße von der Vorgabe der Rolle abweichen und so ist das bei uns auch, wir sind nicht so hemdsärmelig. Das hat uns aber keiner auferlegt, sondern das ist ein freiwilliges Korsett. Vielleicht auch eine Schiene, auf der wir sicher dahinrollen. Schön gesagt hab ich das! Ich bin begeistert. (Lacht)
 
Statt des Holzfällerhemdes habt ihr ja durchaus andere Outfits probiert, wie zum Beispiel NVA-Uniformen für Frauen, mit denen ihr vor einiger Zeit bei einer Motor-Party aufgetreten seid und damit wohl endgültig jenen den Wind aus den Segeln genommen habt, die euch für eine humorfreie Band halten.

Wie humorvoll oder nicht man wahrgenommen wird, das kann man sowieso nicht beeinflussen. Wir versuchen immer ein bisschen Abwechslung reinzubringen, zuletzt ist es aber schon fast ein bisschen zu lustig geworden. Jetzt soll erstmal wieder Schluss mit Lustig sein!
 
Selbstironie ade?
 
Nein. Aus Versehen sind wir sehr oft selbstironisch und mit Absicht ist das auch schon passiert. Gerade die Deutschen sind sehr froh, wenn so eine martialische Pose wie die unsere zusammenbricht und das Ganze eine ironische Brechung erfährt, weil sie damit aus geschichtlichen Gründen nicht so gut umgehen können. Generell ist in Deutschland übrigens auch der Umgang mit Erfolg ein anderer als in anderen Ländern, das wird anders bewertet.
 
Ich will diese Sache jetzt nicht so sehr streifen, weil das glaube ich umfassend abgehandelt ist. Aber ihr nehmt auch auf dem aktuellen Album wieder billigend in Kauf, dass man euch missversteht wenn ihr zum Beispiel einen Song wie "Zerstören", in dem es um den Wunsch geht, fremdes Eigentum zu zerstören, mit arabischen Harmonien einleitet. Das könnte man auch als Aufruf zu rassistischen Übergriffen deuten...
 
Interessant, habe ich noch nie so gesehen. Da würde ich allerdings unterstellen, dass du irgendeine Frequenz hast, die so darauf reagiert. Wir halten ja mit solchen Sachen gewissermaßen den Leuten einen Spiegel vor. Entstanden ist der Text während des Irak-Krieges. Uns haben die Parallelen zwischen einer marodierenden Horde Jugendlicher interessiert, die nach einem Fußballspiel durch die Straßen zieht und alles kaputt schlägt, und Staaten, die in andere Staaten einfallen und dort alles kaputt schlagen. Unser Grundgedanke war der, dass das überhaupt keinen Unterschied macht. Wir haben es als Frechheit empfunden, dass die Amerikaner einfach irgendein Land bombardieren und damit auch noch durchkommen. In dem Moment ist George Bush für mich nichts anders als irgendein asozialer Hooligan. Grundsätzlich kannst du bei uns immer vom Richtigen ausgehen und brauchst eigentlich nie zu denken, dass wir solche Sachen falsch meinen (lacht).
 
Ich glaube aber, dass viele das bei euch gerne tun: vom Falschen ausgehen. Deshalb ist es ja auch in gewisser Weise mutig, dass ihr euch solche Sachen überhaupt noch traut und nicht aus Angst missverstanden zu werden übersensibilisiert darauf verzichtet.
 
Wir waren eine ganze Weile ziemlich übersensibilisiert, haben uns das aber abgewöhnt. Wir fühlen uns schließlich keiner Schuld bewusst.
 
Es gibt noch weitere Songs, die zu Missinterpretationen Anlass geben. So ist die Richtung bei "Mann Gegen Mann" für mich ebenfalls nicht ganz klar.
 
Das ist jetzt aber interessant, was würdest du denn sagen?
 
Nachdem du gesagt hast, man soll das Richtige vermuten, würde ich es wohlwollend für eine Auseinandersetzung mit homosexuellen Befindlichkeiten aus heterosexueller Sicht halten.
 
Aber?
 
Aber ich war mir nicht ganz sicher und wollte die Urheber fragen. Ich glaube, es liegt an Till's Stimme und der Art und Weise, wie er so was singt. Dadurch können Fehldeutungen zustande kommen.
 
Genau! Und damit spielen wir auch ganz bewusst. Zum Beispiel wenn du jetzt einen Nena-Text nimmst: (Verstellt die Stimme wie Till Lindemann und singt) "Alles, was ich an dir mag, ist grad so wie ich es sag'. Ich bin total verwirrt, ich werd verrückt, wenn's heut' passiert." Du siehst, nur durch die Interpretation kannst du einen Text ins Gegenteil verkehren. Damit spielen wir und das macht auch einen Teil unseres Erfolgsrezeptes aus, dass die Leute das durch die Interpretation als Angriff werten. Wenn man die Texte gedruckt liest und sie des durch den Vortrag bedingten Bedrohlichen beraubt sind, stellt man fest, dass gerade "Mann Gegen Mann" eine ganz süße Lyrik über Schwule ist. In unserem Zusammenhang wirkt das fast wie das Gegenteil. Das finden wir aber gut. Da kann jeder gucken, wie locker er ist, das ist ein kleiner Test!
 
Seit einiger Zeit ist eine neue Diskussion über so genannten positiven Nationalismus im deutschen Pop entbrannt. Bands wie Mia und andere haben die Auffassung verteidigt, dass man ein grundsätzlich positives Gefühl zu Deutschland haben dürfe und auch eine Form von Nationalstolz. Während etwa Blumfeld oder auch Tocotronic ganz eindeutig Gegenposition bezogen haben. Nun gibt es den "I Can't Relax In Deutschland"-Sampler, mit dem Kettcar, Die Sterne und andere klar machen wollen, dass ihnen "jeder positive Deutschlandbezug" fehlt. Ihr seid ja wahrscheinlich in der Wahrnehmung der meisten Leute deutscher als irgendeine der genannten Bands. Wo also stehen die einstigen Leni Riefenstahl-Filmauschnitte-Verwender Rammstein in dieser Frage?
 
Ich finde es wirklich sehr lustig, dass es Menschen gibt, die sagen: "I Can't Relax In Deutschland". Wenn man sich nur im Urlaub entspannen kann und nicht in seinem eigenen Land, dann sollte man vielleicht mal überprüfen, wo man ein Problem hat. Diese panische Angst vorm Deutschsein ist mir ohnehin völlig unerklärlich, aber dadurch, dass wir viel reisen, hat sich mein Verhältnis zu Deutschland noch mehr entspannt als es ohnehin schon der Fall war. Weil Menschen in anderen Ländern diese Fragen einfach nicht so engstirnig betrachten, so was gibt es nur hier.
 
Menschen in anderen Ländern haben ja auch eine andere Geschichte als wir. Auffällig scheint, dass die Stimmen pro positiven Nationalismus vor allem aus Ostdeutschland kommen, die Bands auf dem "Can't Relax"-Sampler meist aus dem Westen sind. Glaubst du als Musiker mit Ost-Stammbaum, dass bei Ostlern eine positive Einstellung zu Deutschland weiter verbreitet ist?
 
Na klar, die Ostler sind unbekümmerter. Die nehmen das nicht alles so tragisch.
 
Aber persönlich haben doch die Menschen aus dem Osten viel schmerzhaftere Erfahrungen mit Deutschland gemacht als die jetzt lebenden Generationen im Westen.
 
Das Problem mit Deutschland hat ja nichts mit Ost oder West zu tun, es liegt am Umgang mit der Vergangenheit.
 
Natürlich, nur wurde die ja auch in der DDR recht doppelmoralig behandelt, indem das bereits vor der Wende existierende Problem des Neo-Nazismus tot geschwiegen wurde.
 
Ich kann nur sagen, was mich betrifft: Ich can schon relax in Deutschland, ich muss dafür nicht wegfahren. Noch mal: So verklemmt, wie das hier gehandhabt wird, ist das sonst nirgendwo auf der Welt anzutreffen. Leuten, die diese Probleme haben, kann ich nur empfehlen viel zu reisen und dann werden sie schon feststellen, dass das auch im Ausland nicht als schlimm angesehen wird, wenn man als Deutscher zu Deutschland steht. Mit tun solche Leute ohnehin leid, ich kann sie nicht verstehen. Okay, vielleicht sollte ich das nicht so jovial sagen. Aber ich glaube, diese Leute können ohnehin nicht aufhalten, dass sich das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Land normalisiert und ich finde es auch wichtig, dass da eine gesunde Dynamik, ein gewisses Wir-Gefühl entsteht. Auch um die Probleme hier in den Griff zu kriegen. Tim Renner hat mir übrigens vor einigen Jahren mal gesagt - und das kann ich auch so unterschreiben - dass der Patriotismus ursprünglich einmal der Linken gehörte. Unser Kampf ist nun, ihn ihr zurückzugeben - wir kämpfen für linken Patriotismus!
 
Text: Torsten Groß

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zuletzt bearbeitet 20.03.2008 19:34 | nach oben springen

#6

RE: Interviews

in Alles rund um die Band 06.03.2008 20:30
von Tillmania | 7.403 Beiträge
Piranha - Interview mit Olli, November 2005

Die Mehrheit entscheiden

RAMMSTEIN

Der Kuss der Muse macht es möglich, während der „Reise, Reise“-Sessions entstanden derart viele Songs, dass Rammstein jetzt noch einen Dreher nachschieben können. Basser Oliver Riedel berichtet über den wundersamen Kreativitätsschub und das Innenleben des komplexen Sextetts.

Schon gut ein Jahr nach dem letzten Album kommt ihr mit einem neuen. „Rosenrot“.

Oliver Riedel: Für „Reise, Reise“ hatten wir 18 Lieder aufgenommen – also viel mehr, als wir auf einem Album veröffentlichen können. Elf Titel kamen aufs Album, sieben haben wir erstmal zurück gestellt. Wir hatten die Befürchtung, dass die nicht veröffentlichten Songs „veralten“ würden, wenn sie jahrelang liegen. So entschieden wir uns, relativ schnell ein weiteres Album zu veröffentlichen. Dafür haben wir noch vier weitere Nummern aufgenommen, für die wir nur drei Monate Zeit hatten.

Sind auch Songs aus den „Reise, Reise“-Sessions auf der Scheibe?

Ja. „Mann gegen Mann“ etwa ist ein älteres Thema. Hier geht es um Homosexualität. Um zu verhindern, dass sich jemand beleidigt fühlt, haben wir den Song vorher vielen Schwulen vorgespielt. Das Lied ist keineswegs schwulenfeindlich gemeint.

Warum schlagen so viele Lieder ein mittelschnelles Tempo ein?

Für „Reise, Reise“ wollten wir härtere Sachen nehmen, die eher balladesken Sachen blieben unveröffentlicht. Deshalb sollte „Rosenrot“ ursprünglich „Reise, Reise 2“ heißen, aber die Plattenfirma meinte, das Album sei so gut geworden und „Reise, Reise 2“ klänge emotionslos. Wir finden es wichtig, zu sagen, dass das Gras der Songs aus den „Reise, Reise“-Sessions stammt – dennoch ist „Rosenrot“ als eigenständiges Rammstein-Album zu sehen und trägt deshalb nun den Namen eines der neuen Songs.

Der Titelsong „Rosenrot“ setzt auf klassische Lyrik.

Der Name Rosenrot stammt aus einem Märchen der Gebrüder Grimm, aber wir versuchen nicht, Goethe oder die Grimms zu interpretieren. Die Sprache von Till (Lindemann, Sänger) erinnert an die Sprache der Romantik. Zur Zeit von „Reise, Reise“ hatte Till mit dem Gedanken gespielt, den „Struwwelpeter“ zu bearbeiten, da ist ihm die Idee zu dem Text gekommen.

Arbeitet Till eigenständig oder stammen einige Textideen von anderen Bandmitgliedern?

Meistens sitzt Till allein in seinem Kämmerchen.

Spielt die Single „Benzin“ auf die Kriege um Rohstoffe an?

Damit hat der Song nichts zu tun, es geht um die Pyromanie, die uns von Anfang an begleitet. Es wurde Zeit, dem Brennstoff Benzin eine Hommage zu widmen. Unsere Karriere und die Bühnenshow sind untrennbar mit dem Element Feuer verbunden.

Worum geht es in dem brachialen „Zerstören“?

Das Lied fängt mit einem orientalischen Sample an, weil es zur Zeit des Irak-Kriegs entstanden ist. Wir haben uns aufgeregt, dass die Amerikaner ohne nachzudenken losgeschlagen haben und alles sinnlos kaputt machen.

Stimmt der Eindruck, dass euer Trommler Christoph Schneider heute größeren Einfluss hat als früher?

Früher wollten wir sogenannten „Tanzmetall“ machen, das hieß für Schneider, er musste durchgängige Beats zu programmierten Sequenzen spielen. Diese Art von Musik liegt hinter uns, so war es auch eine Aufgabe für Schneider, sich mit neuen Rhythmen einzubringen. Er hat heute größere Freiheiten und nutzt sie auch.

Wer spielt Gitarre auf der Ballade „Ein Lied“?

Das bin ich. Das Lied entstand innerhalb von zehn Minuten im Proberaum. Es gab den Text von Till, es gab das Gitarrenthema, beides haben wir zusammen aufgenommen. Es war ein ehrlicher, reiner Moment, den wir nie mehr reproduzieren konnten, deswegen haben wir die Urfassung für das Album genommen.

Warum hat „Te Quiero Puta“ einen spanischen Text?

Till hat eine Schwäche für Lateinamerika. Zusammen mit einem Freund besitzt er ein Haus in Costa Rica. Er verbringt drei bis vier Monate im Jahr dort drüben und spricht schon ganz gutes „Reise-Spanisch“. Von dort bringt er CDs mit, die wir auf Tour jeden Abend hören müssen. Seine Mariachi-Musik können wir schon mitsingen. Wenn die nicht läuft, wird das Konzert schlecht.

Auch hier singt Till wieder über das Thema Sex, seine Obsession.

Das Thema wird ihn wohl bis zum Ende seiner Tage begleiten, genau wie die Konflikte die damit einher gehen.

Was ist dein Fazit der letzten Tour?

Es war ein Riesenerfolg, mit dem wir nicht gerechnet haben. Auch in Frankreich spielen wir inzwischen in Riesenhallen. Dort herrscht die gleiche Euphorie wie in anderen Ländern. Darauf sind wir schon ein bisschen stolz.

Habt ihr angesichts der gewaltigen Kosten dieser aufwendigen Show keine grauen Haare bekommen?

Die Kosten haben uns im Vorfeld richtig fertiggemacht. Zum Schluss haben wir uns gefragt: Wollen wir, dass die Leute weiterhin zu uns kommen? Wenn wir sparen, wird das die Show beeinträchtigen. Am Ende fanden wir, dass es mehr Sinn macht, den Leuten eine große Show zu bieten, nur dann bleiben sie uns treu.

Warum tut ihr das nicht?

Es reicht erstmal – wir waren sehr lange auf Tour. In Europa haben wir überall gastiert. In Südamerika sind einige Konzerte leider ausgefallen. Deshalb sind wir auch nicht in den USA und Kanada aufgetreten. Für „Rosenrot“ haben wir im Moment noch keine Tourpläne.

Immer wieder gelingt es Rammstein, Medienskandale loszutreten wie z. B. mit „Mein Teil“. Provoziert ihr die Skandale bewusst?

Natürlich machen wir kontroverse Dinge, aber nicht, weil wir provozieren wollen, sondern weil es uns dahin zieht. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir aus dem Osten stammen. Da war man als Musiker stets gegen das Regime. Irgendwann war das klare Feindbild nicht mehr da, so sucht man sich andere Themen, die kontrovers sind.

Rammstein sind eine demokratische Band mit extrem unterschiedlichen Persönlichkeiten, in der viel diskutiert wird.

Es gab schon harte Diskussionen, aber jeder respektiert den anderen. Wir haben uns inzwischen eingeschwungen, wissen um die Stärken und Schwächen der anderen. Mittlerweile eskalieren die Diskussionen nicht mehr, während es bei „Mutter“ noch extreme Reibereien gab.

Habt ihr regelmäßige Bandtreffen?

Zur Zeit weniger, weil Richard (Kruspe, Gitarrist) in New York sein Soloalbum aufnimmt. Jeder von uns hat ein Faxgerät, da kommt in Stoßzeiten ein ziemlicher Papierstapel heraus. Aber es bleibt dabei, wenn es um künstlerische Belange geht, stimmen wir ab. Die Mehrheit entscheidet.

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zuletzt bearbeitet 20.03.2008 19:35 | nach oben springen

#7

RE: Interviews

in Alles rund um die Band 06.03.2008 20:49
von Tillmania | 7.403 Beiträge
Ein Interview mit Richard und Schneider

Rammstein
Lachen Über Deutschland


Die Varianten "Musik aus Deutschland" und "Musik mit deutschen Texten" sind in den meisten Fällen Bastarde ihrer englisch singenden Idole aus Übersee. Nur wenig nach dem Krieg Produziertes hatte so viel regionale Identität, dass es hier und international das Prädikat "deutsche Musik" bekam. Ein Gütesiegel, auf das die meisten bis heute auch gerne verzichten! Der Mangel an Geist und Geistesträgern, die von den Nazis erschlagen, erstickt, vergewaltigt, zerbombt und (da, wo das Glück half) ins Exil gejagt worden waren, zwang uns, auf die Kultur unserer Besatzer zurückzugreifen. Der Rock'n'Roll gewann den Kampf gegen etwas, was nie zu Entstehung kam. Er brauchte sich nicht einmal die Ärmel hochzukrempeln, er hatte keine Gegner. Seitdem versucht die "Karaoke-Bar Germany" die Nummer 1 im "Look-a-Like-Amerika-Contest" zu sein und zu bleiben. Der Freak ist da flexibler, der mag englische Musik!

Das Schaffen von Bands wie Kraftwerk, D.A.F. und Rammstein wird extrem mit hiesiger Kultur und Lebensart, und diese wiederum mit Genauigkeit, Stumpfheit und einer gewissen Härte assoziiert. Kaum Beachtung finden dabei der Humor und die Respektlosigkeit, mit der sich diese Kapellen mit unserem vermeintlichen Naturell und unseren "Tugenden" schmücken, um sich dann über selbige herzumachen und sie damit hintenrum neu zu definieren. Rammstein haben dieses Prinzip perfektioniert. Sie sind deutscher als Deutschland selbst, und degradieren sich und dieses Bild der Bundesrepublik damit zum Comicstrip, zum Kunstprodukt, zum monumentalen Abziehbild. Wer so deutsch ist, muss ein Nazi sein!

Warum wird diese Nazi-Diskussion immer noch um euch geführt?

Richard: Wahrscheinlich sind wir einfach zu oft aufgestanden, wahrscheinlich war das einfach zu viel. Wir haben immer wieder gesagt, dass wir nichts damit zu tun haben.
Schneider: In JEDEM Interview!
Richard: Immer wieder "Nein, nein, nein". Die wollten die Wahrheit doch gar nicht hören. Die Antwort auf die Frage hat doch niemanden interessiert.

Habt ihr das mit MIA. mitbekommen? Die hatten ja ganz ähnlichen Stress am Hals. Die sind sogar durch die autonomen Zentren gezogen, um sich zu erklären.

Schneider: "Was Es Ist"? Das Lied kenne ich. Weil darin Schwarz/Rot/Gelb vorkommt (kopfschüttelndes Lachen)? Deutschland müsste man doch mit dem Knüppel auf den Kopf schlagen. Da braucht man ja eine Brechstange, um etwas zu bewegen! Man muss doch als Künstler auch die Möglichkeit haben, mit diesem Thema spielerisch umzugehen. Wir hatten niemals was mit der rechten Szene oder irgendwelchem Rechtszeug zu tun. Wonach wir suchten war die Antwort auf die Frage, wie eine deutsche Band klingen kann? Dabei ist Rammstein rausgekommen!
Richard: Es gibt eine Tür, da steht Humor drauf. Wenn man es schafft, diese Tür zu öffnen, ist man auch in der Lage, über sich selbst zu lachen. Das mussten wir als Rammstein auch erst lernen, wir konnten das auch nicht von Anfang an. Wir haben es geschafft, ein gewisses Selbstbewusstsein zu erlangen, um Dinge auch humorvoll zu sehen und vorzutragen. Dass die Deutschen es schaffen, über sich selbst zu lachen, das ist das Ziel. Das müssen wir erreichen! Ich glaube, Humor ist eine wichtige Sache.

Ich persönlich muss ja unheimlich viel lachen, wenn ich Rammstein höre. Die Textzeile "Du bist, was du isst" in einem Lied über Kannibalismus - wie lustig ist denn das?!

Schneider: Was meinst DU denn! Wenn wir die Sachen zum ersten Mal im Proberaum hören, lachen wir uns kaputt! Wir lachen schon beim Schreiben.
Richard: Man muss natürlich fairer Weise sagen: Wir haben es gelernt! Am Anfang von Rammstein war alles voller Aggressivität und wir mussten uns ja auch selbst was beweisen.
Schneider: Dabei waren wir aber auch komisch!
Richard: Genau, aber wir wussten es nicht. Jetzt ist das anders!
Schneider: Zum Beispiel der Gesang von "Mein Teil" (aktuelle Single). Wenn man am Anfang den Sound der Stimme hört (hält sich den Hals zu und quäkt).
Richard: Wenn ich eine Band auf der Bühne sehen würde, bei der der Sänger seinen Plastedödel rausholt, um den Keyboarder zu ficken... Da müsste ich auch lachen!

Aber auf der Bühne wird ernst geguckt und ihr müsst das zwei Stunden lang durchziehen.

Schneider: Aber dort fühlen wir uns ja auch wie eine richtige Rockband. Wir sind ja kein Comedy-Theater. Im Vordergrund stehen immer Power und ein monumentales Gefühl.
Richard: Ja genau, anders funktioniert es doch auch nicht. Wären wir nicht ERNST auf der Bühne, wäre der Witz doch AUCH weg. Dann gäbe es für dich nichts mehr zu lachen.

Ich durfte mal miterleben, wir ihr auf einer Hochzeitsparty "Sonne" in der griechischen Version aus der Bullyparade gespielt habt.

Richard (lacht): Jetzt holst du aber richtig aus!

Würdet ihr so was in einer Fernsehshow machen?

Richard: Das würde ich jetzt erstmal nicht grundsätzlich mit nein beantworten. (lange Pause) Du musst dir Rammstein anders vorstellen! Spontan kann so etwas IMMER passieren. Dieses strategische Handeln, auf das wir so oft angesprochen werden, gibt es eigentlich gar nicht. Viele Dinge passieren einfach so.
Schneider: Wenn wir in der Band merken: "Das wäre jetzt cool, das so zu machen", muss man der Band einfach vertrauen. Wir haben ein gutes Gespür dafür, was gut für uns ist.

Wie soll die neue Platte eigentlich heißen?

Richard: Oh Gott! Wir hatten den Arbeitstitel: "Reise Reise". Dann sind wir alle alten Plattentitel noch mal durchgegangen. "Herzeleid" - "Sehnsucht" - "Mutter" und dann "Reise Reise"? Das hört sich einfach scheiße an. Dann kam noch jemand mit der englischen Übersetzung: "Trip, Trip" (alle lachen) - das war's dann! Wir haben noch keinen Titel.

Ihr müsst alle eure musikalischen Helden mittlerweile getroffen oder live gesehen haben. Freude? Ernüchterung?

Richard: Das erste Mal, als ich Martin Gore von Depeche Mode getroffen habe, das war so ein Moment...! Da hat er meine Hand geküsst! Das fand ich irgendwie cool. Aber am Liebsten hätte ich mal Bon Scott getroffen.
Schneider: Ich war kürzlich bei D.A.F. Anfang der Achtziger war das für mich das Härteste, was es gab. Das war so böse und so kalt. Ich habe mir vorgestellt, wie es da live abgehen muss. Eine Halle voller wilder, tobender Menschen, Elektrosound und ein Gott auf der Bühne, der diesen irren Sprechgesang intoniert. Naja - es war bestimmt kein schlechtes Konzert. Aber es hat mich nicht so richtig gebügelt. Da sterben dann Legenden!
Richard: Ein Held braucht Fantasie und Distanz. Wenn man sich dann näher kommt, geht der Pathos kaputt. Das ist immer so.
Schneider: Im Osten kamen wir an unsere Helden nicht ran. Unsere Tapes waren dumpf, klangen schlecht, leierten und waren tausend Mal gehört. Wir konnten nicht auf Konzerte, es gab nur abfotografierte Bilder. Allerdings klangen diese Tapes manchmal noch cooler als wenn man dieselben Lieder heute auf einer CD hört. Da klingt alles so durchsichtig und man fragt sich, warum man das mal gut gefunden hat. Ich bin definitiv kein Retrohörer. Ich dachte, ich müsse mir all die Sachen noch einmal kaufen, die ich früher gern gehört habe.
Richard: Funktioniert nicht!
Schneider: Du legst die Musik ein und ärgerst dich! Der Film, den man zu diesen Liedern im Kopf hat, fängt zwar an zu laufen, aber man braucht die Musik nicht zu besitzen. Man hat sie hier (zeigt auf seine Brust) und in seiner Erinnerung. Und da ist sie auch schön!

Ihr seid die bekannteste deutsche Musikmarke weltweit. Hier geht ihr unerkannt beim thailändischen Gemüsehändler einkaufen und in der Gala steht auch nichts über euch. Nervt das?

Richard: Wenn man auf eine Verleihung wie z.B. zum Echo geht und sich die Kameras nicht für uns interessieren und wegschwenken, wenn man kommt, hat man schon mal ein komisches Gefühl. Das muss ich hier wirklich mal zugeben. Das Schöne ist, wir können in die Länder fahren, in denen es anders ist. Russland oder Mexiko. Da können wir dieses Spiel - und etwas anderes ist das ja nicht - haben, wenn wir wollen.
Schneider: Das liegt natürlich auch an uns. Als unsere Karriere losging, waren wir 28. Da macht man solche Sachen, die einen in diese Zeitungen bringen natürlich nicht mehr so häufig. Da bleibt man schon ein bisschen mehr auf dem Boden als ein 16-Jähriger.

Aber ich denke, auch für einen 28-Jährigen ist es doch sehr interessant, sehr schnell über sehr viel Geld zu verfügen, oder?

Richard: Das ist nicht schön, das ist kompliziert!

Gut, dann nehmen wir das raus. Aber alle wollen einen auf einmal ficken! Im positiven Sinne!

Richard: Das ist auch kompliziert! (Pause) In Deutschland.
Schneider: Rockstar kannst du gut in Amerika sein, da geht das super! Da stimmt die Welt, da ist sie darauf abgestimmt! Da kommen die Tanten in den Backstage und ...zack! (klatscht in die Hände).
Richard: Ein Rockstar braucht auch immer ein Gegenüber, das einen zum Rockstar macht!
Schneider: Und irgendwie sind wir auch nicht die Typen dazu. Wir mögen dieses Spiel nicht.
Richard schon, oder?
Richard: Ja, ich genieße das!

Ich habe unter rammstein.nl ein Foto von Schneider gefunden, wo er in Unterhose auf der Bühne steht?

Beide durcheinander: Keine Unterhose, eine Windel! Eine Windel war das! Die hatten wir an, als wir bei der Mutter-Tour aus dem Ei geschlüpft sind.

Nein, auf dem Foto das war ein schwarzer Slip!

Schneider (überlegt): Ach ja! Das war eine Badehose! Oh Gott, das ist schon ewig her. Da haben wir ein Konzert für Fans gespielt. Alle in Badehose. Das war geil! Wahnsinn, was man schon alles so gemacht hat.
Richard: Das war auch so ein Thema bei der ersten Platte. Was uns da geritten hat? Das "Herzeleid"-Cover mit den freien Oberkörpern. Das fanden wir toll! (lautes Gelächter)
Schneider (schallend lachend): Das fanden wir gaaaanz toll! Wirklich! Wenn ich das jetzt sehe, denke ich: "Was sind das für Typen? Wer kauft denn so was?" (Richard erklärt irgendwas und Schneider lacht und erzählt unbeirrt weiter) Mit so einer Blume im Hintergrund! Ein Broilerfoto mit einer Blume im Hintergrund! Was ist das denn?!

Die beiden erklären mir, was ich schon ahnte: Broiler sind Hähnchen, Nichtrauchen viel schwieriger, wenn man vorher Raucher war und der Bierbauch ab 30 unabdingbar, es sei denn, man macht Sport. So wie sie! Man würde gerne auch irgendwann mal einen anderen Produzenten ausprobieren aber: "Da war mal jemand, der sich als Produzent ausgegeben hat. Der ist zu uns gekommen und dann während der Probe vor unseren Augen eingeschlafen."

Ich kaue meinen Apfel und nehme mir Gutes vor. Ein Buch werde ich schreiben. Ich werde es "Reise Reise" nennen, der Titel ist hübsch und gerade frei geworden. Es soll ein lustiges Buch werden. Eins über Deutschland!

Text: Christian "Yessica" Rulfs

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zuletzt bearbeitet 20.03.2008 19:35 | nach oben springen

#8

Hamburger Morgenpost 4.1.2003 Messer-Interview

in Alles rund um die Band 14.03.2008 09:33
von Tillmania | 7.403 Beiträge

Hamburger Morgenpost 4.1.2003 Messer-Interview

»Ich stelle mir schon vor, das Opfer zu sein«

Till Lindemann ist Sänger der international erfolgreichsten deutschen Band Rammstein. Seit die auf dem Soundtrack zu David Lynchs Film „Lost Highway“ vertreten war, hat sie auch in den USA Kultstatus. Lindemann ist für die oft sehr umstrittenen Texte verantwortlich. Jetzt hat er mit „Messer“ einen Gedichtband veröffentlicht, in dem er sich inhaltlich treu geblieben ist.

Florian Maaß sprach mit dem Sänger



MOPOP: Sie singen und dichten über Sodomie, Leichenschändung oder Mord. Kann Sie so etwas wie der Kannibalismus-Fall noch erschrecken?
Lindemann: Ja natürlich. Aber der Fall ist auch ein Klassiker: der Biedermann, der abends zur Bestie wird.

MOPOP: Wird es einen Song dazu geben?
Lindemann: Ja, darüber gibt es sicher bald einen Text.

MOPOP: In wen können Sie sich leichter hineinversetzen: den Verspeisten oder den Kannibalen?
Lindemann: Ich kann mich überhaupt ganz gut hineinversetzen in solche Geschichten. Ich stelle mir schon vor, wie es wäre, das Opfer zu sein. Den anderen Teil aber finde ich noch krasser.

MOPOP: Fühlen Sie sich bestätigt, wenn gruselige Geschichten, wie Sie sie in Ihren Texten beschreiben, wirklich passieren?
Lindemann: Ich kann mir zumindest ein Lächeln nicht verkneifen und sage: „Seht ihr? So was gibts.“ Die Welt ist schrecklicher als alles, was ich schreiben kann.

MOPOP: Sie wurden angegriffen, weil die Attentäter des Schulmassakers in Littleton Fans Ihrer Musik waren.
Lindemann: Diese Amerikaner mit ihrer Bigotterie! Die sind wie kleine Kinder, die sofort einen Fremden suchen, der schuld ist.

MOPOP: Der Vorwurf war, dass einige Zuhörer Ihr Spiel mit bestimmten Themen zu ernst nehmen.
Lindemann: Das ist Schwachsinn! Was gibt es denn, was 12-Jährige heute noch nicht gesehen haben? Von abgetrennten Gliedmaßen über Mord, Vergewaltigung bis hin zu Pornos. Wie soll ich denn da einen Jugendlichen manipulieren?

MOPOP: Gibt es für Sie überhaupt ein Tabuthema?
Lindemann: Ich weiß nicht, ich suche noch danach.

MOPOP: Vielleicht Glück?
Lindemann: Vielleicht. Aber wenn ich schreibe „ich bin so glücklich, so verliebt“, dann wäre das auch albern.

MOPOP: In Ihren Gedichten wird mit dem Glück auf dramatische blutrünstige Art gebrochen. Ist das Ihre Vorstellung von Erfüllung?
Lindemann: Nicht von Erfüllung. Es ist meine Vorstellung vom Leben. Wenn etwas Gutes passiert, freue ich mich, rechne aber sofort wieder mit dem nächsten Unglück.

Das Buch
Schon Lindemanns Rammstein-Texte warfen Fragen auf. Was wollte er mit Liedern wie „Mutter“ und „Du riechst so gut“ sagen? Man weiß es nicht. Jetzt erscheint sein Gedichtband „Messer“. Auch hier bleibt einiges unbeantwortet. Ein Beispiel? „Wir treiben kalt auf Augenschauern / hungerfroh in schweren Fässern / sie schneidet tief, um mich zu essen / und darum hab ich Angst vor Messern.“

Hamburger Morgenpost 4.1.2003


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zuletzt bearbeitet 01.10.2009 18:12 | nach oben springen

#9

Sonic Seducer 31.1.2003 Messer- Interview

in Alles rund um die Band 14.03.2008 09:42
von Tillmania | 7.403 Beiträge

Sonic Seducer 31.1.2003 Messer- Interview

Der Gigolo des charme morbide oder Keine Melodien

von Thomas Clausen

Thema: Gedichtband 'Messer' von Till Lindemann


Till Lindemann spricht nicht gerne. Was er zu sagen hat, das teilt der Leipziger Wahl-Berliner seit 1995 durch die Texte seiner Band Rammstein der inzwischen global aufhorchenden Musikwelt in seiner ganz eigenen Metaphorik mit. Erklärungen gab es fast nie; Mißverständnisse und Fehlinterpretationen dagegen am laufenden Meter. Kürzlich wurde sein erster Gedichtband "Messer" veröffentlicht. Jetzt muß gesprochen werden. Klartext mit Till Lindemann. Wohl nur wenige einheimische Bands der populären Musik sind in ähnlichem Maße mißinterpretiert, falsch verstanden oder einfach nur verunglimpft worden wie Rammstein, die schon mit ihrem ersten Album "Herzeleid" mehr oder weniger gewollt zum typisch deutschen Sorgenkind aus vermeintlich gewaltverherrlichenden, Leni Riefenstahl-ästhetik meets Bodybuildingstudio-Holzhammer-Charme unterstützten Teutonen-Lyrics morbidester Couleur und internationalem Megarockstardom avancierten. Einer der Hauptverantwortlichen: Frontmann und Texter Till Lindemann, der nun in "Messer" Einblick in gesammelte Gedichte aus gut zwei Jahrzehnten gewährt und der heute nach langen Jahren der Zurückhaltung Blättern wie Der Spiegel, Fokus, Welt am Sonntag, TAZ und ähnlichen Rede und Antwort steht. Flucht ins Feuilleton oder das tatsächliche Ende des Kalten (Informations)Krieges? Lindemann, der ewig Mißverstandene.

"Keines von beidem. Fakt ist, daß ich sehr selten und auch sehr ungern Interviews zu meinem Schaffen gebe. In der Vergangenheit sind dermaßen viele Dinge überbewertet worden, daß ich eigentlich gar keine Lust mehr habe, mich noch großartig zu äußern. Doch diesmal gibt es leider keine fünf Kollegen, die mich an dieser Stelle vertreten könnten. Es ist zwar nicht so, daß ich mich heute noch über irgendwelche Gerüchte, Halbwahrheiten und merkwürdige Deutungen ärgern würde, doch ich muß nicht auch noch aktiv zu deren Entstehen beitragen. Im Fall von Rammstein gibt uns der Erfolg recht und macht uns über irgendwelche blödsinnigen Vorwürfe erhaben. Es gibt diese typisch deutsche Wadenbeißermentalität, jedem ans Bein pinkeln zu wollen. Wir belächeln dies mittlerweile ruhigen Gewissens. Sicher mache ich mich mit "Messer" wieder auf eine gewisse Weise angreifbar. Falls die Medien auch diesmal nicht in der Lage sind, meine Äußerungen im eigentlichen Kontext wiederzugeben, wird es in Zukunft wohl über- haupt keine Statements mehr von mir geben."

Deutliche Worte. Um so freier sollte man jedoch mit den Gedichten in "Messer" umgehen, die nach grober Rammstein-Machart auf ureigenste Weise Lindemanns gern und oft mißverstandenes Faible für ebenso explizite wie metaphorische Darstellungen der Urtriebe Gewalt, Sex und Tod Ausdruck verleihen und somit den Jahrtausende alten Motor der menschlichen Entwicklung zwischen plüschig-rosa Prosa und derbstem Gossen-expressionismus in all seiner Bandbreite widerspiegeln.

Lindemann, der Vielseitige. Genau betrachtet eine mithin ziemlich ungewöhnliche Karriere, die 1979 im damaligen Arbeiter- und Bauernstaat als Schweriner Schriftstellersohn mit der Lehre zum Bautischler begann und sich mit den Jahren über die innungsgemäßen Schnittstellen Zimmermann und Korbmacher definierte. Spätere Arbeiten als Galerietechniker, Schlagzeuger der Punkband First Arsch und letztlich textliches wie visuelles Aushän-geschild Rammsteins hinterließen ihre Spuren. Heute: Till Lindemann 2003 - Kunstfigur oder multifunktionale Personalunion aus Musiker, Texter, Lyriker, Entertainer, Rockstar, Künstler?

...Ich hacke meine Brust aus Spaß,
es regnet und mein Herz wird naß
öffne meine dicken Venen, und schenk dir
Sträuße roter Tränen... ("Nebel")

"Kunstfigur auf keinen Fall. Grundsätzlich sehe ich mich als Texter, der im Moment die ersten Gehversuche als Lyriker macht. Das ganze Buch ist eine Art Rückblick; ein Abschluß, eine Werkschau. Vergleichbar mit dem Dasein einer Band, die nach 20 Songs zu dem Entschluß kommt, das Ganze auf einem Album zu verewigen. Der Herausgeber Gerd Hof und ich haben aus mehr als 1000 Gedichten aus gut 15 Jahren eine Auswahl getroffen, was wir in ‚Messer' veröffentlichen wollten. Wie wohl jeder Künstler werde ich in entscheidendem Maße von meiner Umwelt und meinen Erlebnissen inspiriert. In gewisser Hinsicht stellen die Texte gleichermaßen eine Abrechnung mit mir selbst, Rache an mir selbst und auch eine Aufarbeitung meiner selbst dar. Egal, ob dies von Träumen, Alptraumen, Filmen, Büchern und nur einem Spaziergang hervorgerufen wird. Eigentlich bin ich rund um die Uhr ein empfängliches Medium, das seinen Notizblock meistens in greifbarer Nähe hat. Meine Art von Texten entsteht fast ausschließlich unterbewußt. Wenn ich mich mit dem Gedanken hinsetze, etwas Positives zu schreiben, kommt am Ende dennoch etwas Düsteres dabei heraus, weil es eine Art automatischen negativen Fluß in mir zu geben scheint."

Der in finaler Textform freilich nicht ohne den nötigen, augenzwinkernden und gerne vernachlässigten Abstand zu genießen ist und bei eingehender Betrachtung selbst gewisse (zwar dunkel)-humoreske Schnittmengen mit 60er Jahre Comedy-lkone Heinz Erhardt nicht verneinen will. "Herzeleid" ohne Noten? Lindemann spielt keine Melodien. Aber er lacht nickend. Und Vokale werden diesmal nicht gerrrrrollt.

...Ich habe ein Gewehr, ich habe es geladen
ein Knall, du hast kein Köpfchen mehr
das seh ich durch die Schwaden..."
("Absicht?")

"Das ist in der Tat eine sehr gute Umschreibung. Sicher sind die Texte oberflächlich geprägt von Gewalt und jeder Art von Provokation. Doch beim näheren Lesen offenbart sich auch ein latenter, fast comic-hafter Witz, der von den meisten Menschen nicht wahrgenommen wird. Zwar entstehen die Texte beinahe ausschließlich unterbewußt aus einem Wort, einer vagen Idee oder einer Geschichte, doch irgendwo lasse ich mir dann immer noch eine Art Hintertürchen offen, so daß man meistens immer noch irgendwie über die Texte schmunzeln kann. Am deutlichsten ist dies sicher am Gedicht ,Big In Japan' zu merken, das ich nach meinem Besuch einer Nachtbar in Tokio geschrieben habe. Es gab dort einen Künstler, der sich wirklich enorme Gewichte an seinen Schwanz hängte. Bekanntlich sind Japaner nicht allzu gut von der Natur bestückt, doch das Ganze wurde so groß aufge-zogen, daß die Persiflage in Anlehnung an den Alphaville-Song einfach zwingend war. Es gibt doch nichts befriedigenderes und interessanteres für einen Künstler, als Reibung zu schaffen, zu polarisieren und die vielen unterschiedlichen Reaktionen zu beobachten. Im Falle von ‚Messer' geht dies von Angst über Betroffenheit bis hin zu echtem Vergnügen. Sicher frage ich mich auch von Zeit zu Zeit: Was habe ich da eigentlich für ein Monster erschaffen? Aber andererseits kichert man auch dann und wann still in sich hinein und freut sich über sein kleines, schmutziges, schwarzes Etwas."

Also doch mutwillige Provokation in Tateinheit mit fahrlässig heraufbeschworener Mißinterpretation als Stilmittel zum vorsätzlichen Tabubruch? Nicht nur im Refrain der Debüt-Single "Wollt Ihr das Bett in Flammen sehen" wurde seinerzeit der Name Rammstein mehr als Schlachtruf denn als elementarer Kontext-Baustein verwendet. Till Lindemann: Bundes-Bürgerschreck. Enfant terrible. Gigolo der morbiden Erotik.

...Ihre Glieder bald blaßblau,
doch atmet scheu der Sonnenschein
solang die schweren Hüften lau, könnt ich
auch lieben ihr Gebein. ("Tänzerin")

"Wir/ich lege es zwar nicht darauf an, um jeden Preis mißverstanden zu werden, doch es ist andererseits immer wieder sehr spaßig, zu beobachten, wie man sich hierzulande wieder aufregt und welche Wellen diese Band schlägt. Ansonsten ist das Werkzeug der Provokation heute nicht mehr so interessant für uns wie noch zu Zeiten nach der Maueröffnung. Damals kam es fast nur darauf an, so böse, provokant und plakativ wie möglich zu sein; einfach etwas Neues und Abgefahrenes in deutscher Sprache zu machen. Heute geht es um andere Dinge, die Kunst und das Gesamtergebnis stehen für uns an erster Stelle. Andererseits liegt es mir nicht, meine Texte großartig zu interpretieren und Inhalten eine gewisse Richtung zu geben. Es ist doch viel spannender für alle, wenn sich die Leute selbst ihre Gedanken zu Kunst wie Bildern, Texten oder Skulpturen machen können und nicht durch den Künstler aufgeklärt werden. Ich habe festgestellt, daß viele Leute im Nachhinein von der wirklichen Bedeutung meiner Lyrics enttäuscht waren, da sie sich schon ihr eigenes Bild gemacht hatten und meine letztendliche Erklärung scheinbar weitaus unspektakulärer als die Phantasie gewesen sein muß. Manche Dinge sollten lieber ungesagt bleiben..."

Eine bedeutende Rolle in "Messer" spielen die eigens angefertigten Fotos, die Lindemann in ungewohnter Pose inmitten einer ganzen Armee von unbekleideten Schaufensterpuppen als androgynen Außenseiter zeigen - vermeintlich fernab des selbst gewählten, oberflächlichen Düster-Macho-lmage vom muskelbepacktem Pyromanen auf der Pirsch nach weiblicher Beute.

"Die Interpretation ist im Zusammenhang Gedicht/Foto und umgekehrt völlig frei. Es ist ein sehr interessantes Experiment, zu schauen, wie sich die Sichtweise auf die Gedichte mit Hilfe der Fotos verändert, welche verschiedenen Variationen möglich sind. Es gibt keine direkte Korrespondenz zwischen beiden Kunstformen, aber wenn man will kommt ein kleiner Dialog zustande. Sicher zeigen die Bilder mich von einer anderen Seite, die man vielleicht bisher von mir nicht kannte...",
Die aber bei näherer Betrachtungsweise genau das Individuum preisgeben, welches in seinem Kern den wahren Protagonisten in Lindemanns Schaffen ausmacht: Den verletzlichen, nach Zuneigung und Geborgenheit heischenden Sonderling, den aus-gestoßenen Freak, den sensiblen Liebes-Töter auf der Suche nach Erfüllung - Rollenbeschreibungen gibt es viele in seinem ganz eigenen Persön-lichkeitsraster, potentielle Missverständnisse immer inklusive.

Sonic Seducer 31.1.2003


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zuletzt bearbeitet 01.10.2009 18:10 | nach oben springen

#10

Szene-Interveiw 16.11.2002

in Alles rund um die Band 16.03.2008 15:11
von Tillmania | 7.403 Beiträge

Szene-Interveiw 16.11.2002

Rammsteins Sänger mit Messer im Herzen

"Das ganze Ballhaus hat nach ihr gerochen/der Duft ist mir ans Herz gekrochen." So könnte ein Liebesgedicht anfangen. Theoretisch. Praktisch stammt die Verszeile von Till Lindemann. Und die Poesie des Rammstein-Frontmanns klingt genau so düster wie die seiner Band.

Darum wundert es nicht, dass das Gedicht "Tänzerin (2)" wie folgt endet: "...doch plötzlich fiel der Tänzer hin/und sofort tot die Tänzerin. die Anmut brach wie ihr Genick/und mein kurzes Augenglück".

"Ich kann einfach nicht lebensbejahend dichten", erklärt Till Lindemann. "Die Verse sind eine therapeutische Reise ins Ich, vielleicht wäre an mir sonst ein Massenmörder verloren gegangen." Glücklicherweise hat sich rechtzeitig ein Verlag gefunden, gerade ist der Gedichtband "Messer" bei Eichborn erschienen (Preis: 29,90 Euro). Lindemanns Mutter ist beim Lesen jedenfalls ein Licht aufgegangen. "Bei dir ist was schief gelaufen", wird sie von ihrem Sohn zitiert.

Das Thema Einsamkeit zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. "Messer" ist illustriert mit Fotos, die Till Lindemann im fleischfarbenen Kostüm zwischen nackten Schaufensterpuppen zeigen. "Die Bilder drücken eine enorme Stille aus, eine Ruhe, die ich mir öfter wünsche", sagt Lindemann.

So sehr man auch bohrt, über das echte Leben weiß der Dichter nicht allzu viel Nettes zu berichten. "Du brauchst doch morgens um sechs bloß mal U-Bahn zu fahren. Diese zusammengepferchten, traurigen Gestalten sprechen doch wohl Bände!"

Auch die Liebe ist für den Rammstein-Frontmann nur ein flüchtiges Gefühls-Intermezzo und deswegen nicht der Rede wert. Nur der Tod ist real. Lindemann: "Es ist doch schrecklich, dass uns jedes Nachdenken über das Sterben abgenommen wird. Seitdem wir in der Stadt wohnen, kann meine Tochter keinen Weihnachtskarpfen mehr sterben sehen, ohne zu jammern."

Die Zeit der Tränen soll spätestens im Frühjahr 2003 vorbei sein. Dann wollen Till Lindemann und der Pyrodesigner Gert Hof (er hat die Gedichte für "Messer" ausgesucht) ein Buch mit kurzweiligen Geschichten aus dem Tierleben herausgeben. Titel: "Ziegenhals und Doppelbär".

von Beate Willer


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zuletzt bearbeitet 01.10.2009 18:09 | nach oben springen

#11

RE : Interviews

in Alles rund um die Band 01.04.2008 16:16
von Tillmania | 7.403 Beiträge

Vienna ONline Interview mit Till über "Mutter"

VO: Wie seid ihr mit dem neuen Album zufrieden, und was ist der größte Unterschied zu den ersten beiden?
Till Lindemann: Wir sind sehr zufrieden, es ist besser und vor allem reifer als unsere ersten beiden. Der Stil geht eher weg vom Techno zu mehr Akustik-Sachen. So richtig back to the roots. Musikjournalisten sagen oft, es wäre poppiger.

VO: Welchen Hintergrund hat das Lied Mutter? Geht es um ein geklontes Kind?
Till Lindemann: Es soll sich jeder seine Interpretation suchen der Text ist absichtlich nicht eindeutig. Aber Deiner Version mit dem geklonten Kind liegt sehr nahe bei meiner.

VO: Habt ihr beim Video „Sonne“ selber Ideen eingebracht?
Till Lindemann: Ja, die Idee war von uns, Regisseur Jürgen Haidmann hat uns nur bei der Umsetzung geholfen. Das Lied Sonne war ja eigentlich als Kämpferlied gedacht, für die Klitschkot-Brüder, zum Einzug in den Box-Ring. Es kommt ja auch das Zählen vor: Eins, Zwei... Aber wir wollten dann doch etwas weniger martialisches, weil Videos, die mit Boxen zu tun haben, gibt es ohnehin schon genug – und da sind wir auf die Schneewittchen-Idee gekommen und die hat uns sofort gefallen.

VO: Wie inspiriert Ihr euch, wie kommen Euch Ideen zu den Songs?
Till Lindemann: Meine Bandkollegen geben mir meistens eine Arbeitsspur mit nach Hause, die hör ich mir dann bei einer Flasche Wein oft und sehr laut an, und versuche mich reinzulehnen. Ich versuche zu hören, was zu dem Material passt. Bei „Sonne“ wars zum Beispiel so, dass ich klar hören konnte, dass da was aufgeht und dann ists die Sonne geworden.

VO: Ihr seid bekannt für Eure spektakulären Bühnenshows – Könnt ihr schon was verraten, wie die neue Tournee aussehen wird?
Till Lindemann: Wir müssen jetzt noch die Promotion fertig machen, dann haben wir nur noch zwei Monate Vorbereitungszeit, aber wir haben schon einen amerikanischen Stagedesigner engagiert und wir werden uns Mühe geben, damit es wieder eine tolle Show wird.

VO: Wieder mit pyrotechnischen Elementen?
Till Lindemann: Ja, das gehört zu einer Rammstein-Tournee auf jeden Fall dazu.

VO: Die Presse stellt euch gerne ins rechte Eck – Was unternehmt ihr, um gegen dieses Image anzukämpfen?
Till Lindemann: Wir haben es satt, uns in unzähligen Interviews zu rechtfertigen und distanzieren und die Journalisten schreiben dann doch was anderes. Auf der neuen CD ist ein Lied, das ganz klar macht, dass wir mit rechtem Gedankengut überhaupt nichts am Hut haben, nämlich „Links 234“.

VO: Bereut Ihr es heute, dass Ihr zum Video „Stripped“ Bilder von Leni Riefenstahl verwendet habt?
Till Lindemann: Nein, weil wir haben die Bilder für künstlerisch wertvoll befunden und sie haben optimal zum Lied gepasst. Man darf Kunst und Politik nicht immer vermischen, Riefenstahl war Künstlerin und wir sind es auch.

VO: Habt ihr musikalische Vorbilder?
Till Lindemann: Richtige Vorbilder nicht, aber natürlich sind wir auch beeinflusst worden. Jeder hat so seine Lieblingsbands, meine sind beispielsweise Ministry, Type-O-Negative, Limp Bizkit und Placebo.

VO: Welche sind eure Lieblings-Homepages?
Till Lindemann: Also ich kann da nichts sagen, ich habs nicht so mit der Technik, mir haben meine Bandkollegen auch jetzt unlängst erst ein Handy geschenkt, weil sie mich nie erreicht haben.

Quelle: vienna-online.at


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zuletzt bearbeitet 01.10.2009 18:01 | nach oben springen

#12

RE: Interviews

in Alles rund um die Band 05.04.2008 16:43
von Tillmania | 7.403 Beiträge

Rammstein exklusiv - Interview Teil 1
YAM! Nr.40 28.September 2005

[i]Rammstein r-r-r-ollen wieder! Kurz vor VÖ des neuen Albums "Rosenrot"
lud die Band YAM! zum Talk nach Paris ein...


"Wir sind alle ein bisschen schwul!"

Sanft schaukelt ein alter Lastkahn zu Füßen des Eifelturms auf der Seine. An Bort Till (42), Paul (41), Oliver (34) und Schneider (39) - ausgerechnet in der Stadt der Liebe wollen die vier harten Jungs von Rammstein Interviews geben. Zunächst aber muss der YAM!-Reporter selber Rede und Antwort stehen...
[/i]

YAM!: Danke für die spontane Audienz...
Paul: Gern. Hast du eigentlich auch schon mal Nu Pagadi interviewt?

YAM!: Klar. Mehrfach...
Paul: Und wie sind die so? Ich hab nur das eine Lied gehört (singt "Your `re My Sweetest Poison"...)

YAM!: Das ist eine Casting-Band. Der Song ist nicht selbst geschrieben!
Paul: Egal. Elvis hat seine Hits auch nicht selbst geschrieben. Da bin ich tolerant. Wie waren sie so druff?

YAM: Cool. Umgänglich, Smart.
Paul: Nicht schwierig? Dann ist's doch gut, denn oft werden solche Acts bei ein wenig Seitenwind doch gleich unausstehlich. Aber jetzt bist du dran...

YAM!: In eurem neuen Song "Spring" klingt ziemlich hart Kretik an der Menschheit durch...
Paul: Wir kritisieren selten. Wir benennen Zustände aus unserer bescheidenen Sicht.

YAM!: Konkret gefragt: Ist die gesamte Menschheit "krank" im Kopf?
Paul: Ja! Wenn jemand irgendwo runterspringen will, stellen sich alle hin und tun so, als seinen sie besorgt. Aber eigentlich wollen sie, dass er springt. Die Leute sind geil auf Ärger und Unfälle. Die wollen Action sehen. Das war schon im Mittelalter so. Hexenverbrennungen und öffentliche Hinrichtungen waren die Action-und Horrorfilme von damals.

YAM!: In "Mann gegen Mann" greift ihr erstmals Homosexualität auf...
Paul: Ich glaube, wir sind alle ein bisschen schwul! In zwischen haben wir schon drei "Schwulensongs" gemacht, die aber nie erschienen sind. Wir hätten
dann wahrscheinlich gleich wieder auf den Deckel bekommen. Den "Mann gegen Mann"-Text haben wir übrigens vorher von Peter von Rosenstolz checken lassen. Der ist ja homosexuell und hat uns bestätigt, dass er den Track nicht als schwulenfeindlich empfindet. Wir haben uns quasi seine Genehmigung geholt. Trotzdem wird es Spezialisten geben, die auch hier wieder was entdecken, was nicht p.c. ist...

YAM!:...Was nicht "P:C:" ist?
Paul: Politically correct. Aber wir wollen ja auch gar nicht politisch korrekt sein!

YAM!: Trotzdem habt ihr euch den Song "absegnen" lassen. Habt ihr keinen Bock mehr aus Stress - oder sogar schiss?
Paul: Nein, im Gegenteil! Es ist uns sogar ein gewisses Bedürfnis, Ärger zu erregen. Aber wir wollen eben nicht als schwulenfeindlich eingestuft werden. Als blöde, stumpf, idiotisch oder auch als toller Typ hingestellt zu werden - damit kann ich leben. Aber gewisse Sachen brauchen wir einfach nicht.

YAM!: Und wie seht ihr euch?
Paul: Jede Band denkt doch von sich, dass sie toll und anders ist als alle anderen. Aber generrell sind Musiker doch eher unterbelichtete Typen!

YAM!: Wie bitte?
Paul: Ich glaube schon, dass viele denken, dass Musiker generrell auch etwas unterbelichtet sind. Aber ein paar von ihnen sind ja immerhin nicht ganz blöd, und wir zählen uns heimlich dazu. Inwieweit das nun tatsächlich stimmt, weiß ich nicht.

YAM!: Psychologen haben eure Txte gecheckt, das Phänomen Rammstein wurde sogar wissenschaftlich untersucht - und doch wisst nur ihr selbst, wie ihr wirklich tickt...
Paul: Wir sind als Gruppe scho ein derber Haufen. Wir essen zwar keine kleinen Kinder, aber wir sitzen auch nicht mit einem Tässchen Tee am schön gedeckten Frühstückstisch und sagen: "Oh, heute provozieren wir mal wieder so richtig..."

YAM!: Also spielt ihr nicht nur die bösen Buben, so wie das einige Gangsta-Rapper machen, die zugeben, dass alles nur Entertainment ist?
Paul: Du musst beim Film ja auch was auf Tasche haben, wenn du den Bösen spielst. Sonst wirkt das nur albern. Bei uns steckt ebenfalls was dahinter. Auch wenn wir zugeben, dass wir auf der Bühne in Charaktere schlüpfen, müssen wir irgendwie schon auch so sein. Es würde ganz schnell auffliegen, wenn das nicht so wäre.

YAM!: Ihr seit Deutschlands erfogreichster Musik-Export: Fühlt man sich als Weltstar gottgleich oder kennt ihr noch Gefühle wie Angst?
Paul: Es braucht noch viel Zeit, bis wir verstehen, was wir als popelige Band erreicht haben. Manchmal denkt man: Das kann alles nicht wahr sein! Aber unsere Stärke ist es, dass wir auf dem Boden geblieben sind. Das hilft im Alltag, alles zu überstehen, was nicht mit Rammstein zu tun hat.

YAM!: Was zum Beispiel?
Paul: Wenn du als Rammstein-Paul eine Freundin hast, und du lässt zu Hause immer den Abwasch stehen, ist es der scheißegal, ob du bei Rammstein oder U2 bist, oder ob du gerne auf den Mond fliegst. Die sagt dann zu dir "du Dreckschwein" - ich zitiere mal Orginalton. Und wenn ich dann sage: "Du, ich bin doch ein toller Typ und spiele morgen ein Konzert in Japan!", entgegnet sie höchstens: "Vorher räumst du aber erst noch deinen Scheiß hier weg..."

Interview: Chris Barth


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#13

RE: Interviews

in Alles rund um die Band 05.04.2008 16:50
von Tillmania | 7.403 Beiträge

Rammstein - Exklusiv - Interview Teil 2
Yam!41 6. Oktober2005

Paul: "Wir haben ein MONSTER erschaffen!"

Jeder kennt sie - aber niemand weiß, wie sie wirklich ticken. In YAM! verrät Paul jetzt erstmals die magische Rammstein-Formel...

Im ersten Interview-Teil erzählte Paul(41) wie böse die Rammstein-Jungs privat sind und was sie sich manchmal so von ihren Freundinnen anhören müssen. Jetzt wird geklärt, was an den Gerüchten dran ist, dass sich das Sixpack hinter den Kulissen gar nicht mehr so lieb hat...

Herrscht wirklich Demokratie bei euch oder stimmt es, dass sich einige Band-Mitglieder wichtiger nehmen als andere?
Paul: Das war manchmal ein Problem, als "Mutter" aufgenommem wurde. da nahmen sich in der Tat einige Leute wichtiger, als sie sind...

Die nächste Frage ist klar. Wer war das?
Paul: Ich will keine Namen nennen, denn das kann jeden mal passieren.

Es gibt aber ein gesundes Gleichgewicht?
Paul: Man muss sich das bei uns so vorstellen: Wir sind eine Essenz aus sechs verschiedenen Flüssigkeiten in unterschiedlichen Mengen. Nur wenn alle sechs Flüssigkeiten beinhaltet sind, leuchtet das Ganze. Wenn du von einer Flüssigkeit zu viel beimengst und eine andere dafür weglässt, leuchtet es nicht mehr. Wir konnten diese Gleichgewicht zum Glück wieder herstellen und weiterhin die gewohnte Rammstein-Qualität gewährleisten. Wir haben Glück gehabt.

Wie meinst du das?
Paul: Ganz einfach:Gib einer Band Geld, Erfolg und Zuneigung und du verdirbst den Character garantiert. Ich verfolge immer das Schicksal von Leuten, die einen Lottogewinn landen. Die verkacken eigentlich meistens danach ihr Leben. Wir hatten ja auch so eine Art Lottogewinn gemacht und mussten mit den entsprechenden Schwierigkeiten kämpfen. Aber wir haben es überlebt (klopft auf den Holztisch vor sich)!

Aber mal ehrlich: Schweißt euch nicht auch der Gedanke zusammen, dass ihr etwas großes erschaffen habt, das man nicht einfach sterben lässt?
Paul: Eine gute Frage! Respekt! Ich will nicht leugnen, dass das auch eine Rolle spielt. Wie groß die ist? Da müsste ich erst zur Psychoanalyse. Bei ist es aber so, dass ich gar nicht wüsste, was ich sonst machen sollte. Paddelboote verkaufen? Ich mache gerne Musik. Und zwar in einer total coolen Band, in der ich zu 100% meine Ideen verwirklichen kann. Aber der Fakt, dass wir so eine Art Monster erschaffen haben, das immer weiter vorwärts maschiert, so eine Art Industrie, an der ja auch die Existenzen vieler Leute hängt, spielt wie gesagt eine Rolle.

Also geht es auf jeden Fall weiter?
Paul: Definitiv! Besser als gerade kann es uns gar nicht gehen. Uns gibt es schon seit 10 Jahren. Da ist es normal, dass es auch mal Stress gibt. Wir machen uns allerdings nach dem neuen Album "Rosenrot" erst mal ein bisschen unsichtbar...

Anders ausgedrückt: Ihr seit Urlaubsreif?
Paul: Ich sage immer: Wer eine gute Arbeit hat, der braucht keinen Urlaub. Wir gehen nicht in Urlaub, sondern in eine terminfreie Zeit.

Wie lange wird es still sein um euch?
Paul: Das hängt von unserer Lust und Laune ab. Wir wissen unsere Karriere zu schätzen, aber zwischendurch ist es immer notwendig richtig Luft zu holen und die Batterie aufzuladen.

Und vorher wollt ihr noch mal schnell Kasse machen? Das ist eine böse Frage, Sorry. Aber fast alle Songs vom neuem Album stammen aus der Zeit vom letzten Album "Reise Reise". Und das Cover ist auch nicht ganz neu, sondern zierte schon die japanische "Reise Reise"...
Paul: Du bist gut informiert. Aber auch zu "Reise Reise" gab es schon Pläne, zwei Alben zu veröffentlichen, denn es waren einfach alle 20 Songs zu gut, die wir im Vorfeld geschrieben hatten, um - wie sonst - kanpp die Hlfte von ihnen wegzuwerfen. Wir hätten es also als Doppelalbum herausbringen können. "Rosenrot" erscheint nun als vollwertige Platte. Wir wollen den Fans für die Zeit des Luftholens mit "Rosenrot" ein kleines Spielzeug dalassen, damit sie nicht traurig sind...

"Ein kleines Spielzeug" klingt irgendwie nicht wie ein Kaufanreiz...
Paul: Damit das klar ist: Wir stehen 100%ig hinter jedem Lied auf dem neuen Album. Der einzige Unterschied ist, dass wir musikalisch keinen weiteren Schritt nach vorne gegangen sind. Die meisten Titel stammen aus derselben Zeit wie "Reise Reise" - aber es sind alles 100% gute Rammstein-Lieder!


Das gehört zwar nicht hier rein aber ich schreibs mal mit her. Ein Musiker-Witz von Paul..."Was ist schwarz und hockt auf einem Baum? Ein Spanner nach einem Pyro-Effekt beim Rammstein-Konzert..."


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#14

Messer - Interview 2.12.2002

in Alles rund um die Band 07.04.2008 09:51
von Tillmania | 7.403 Beiträge

Messer - Interview 2.12.2002

Schädelkraut

Gespür fürs Altdeutsche: Rammstein-Frontmann Till Lindemann gibt den Dichter

von Jochen Förster



Wenn das Wummern wegfällt, das Hämmern der Membran und das rollende «R» im Flammenmeer, dann atmet das Ohr und gibt den Text frei. Solche Freiheit kann ansteckend wirken. Till Lindemann entledigt seine dunkle Dichtkunst von aller Dröhnung.

Wendungen wie «in mein Herzen» und «an Dir schlafen», Worte wie Tölenfraß, Hodenfett, Schädelkraut oder Staubgebein schmecken auf einmal nach Poesie, man liest und lechzt nach Sprachneuflutung.

Till Lindemann, besser bekannt als Sänger und Texter der Berliner Deutsch-Metal-Band Rammstein, hat ein Buch geschrieben, das genau so funktioniert. Es ist ein Band voller düsterer, in ihrer Sprachkraft durchaus ausgefallener Gedichte. Das mag manchen überraschen, der den «Rammstein-Slogan»-Wettbewerb der letzten Jahre noch im Ohr hat, die «Haudruffband», die «Brachialkrawallos», das «forcierte Hunnentum». Während die anderen Band-Mitglieder den Geist des Fun-Punk der Ex-DDR einbrachten und mit krachiger Symbolik lustig viel «Ärger machen» wollten, war Lindemann, der Bullige, zugleich der Ernste, Nachdenkliche, leicht Griesgrämige, Opern hörende. Auf den Fotos zu «Messer» zeigt er sich bleich geschminkt unter Schaufensterpuppen

Der Lindemann aller Tage bestätigt das Bild. Boxergesicht, Bauernpranken, in seinen Augen schimmert's weich. Er habe «kein so großes Mitteilungsbedürfnis», sagt er; sein Freund und Förderer Gert Hof schreibt im hochnotpathetischen Vorwort, mit Lindemann könne man schweigen. Man ahnt schnell, dass das stimmt. Lindemann, 39, gelernter Bautischler mit «Zusatzqualifizierung» als Korbflechter, hasst Interviews, weil sie gestanzt sind; gleiche Fragen, blöde Journalisten. In seinem Fall ist das gut zu verstehen. Selbst als Rammstein von David Lynch filmmusikalisch geadelt wurde, hielt das mediale Ins-Eck-Stellen, der rechte Generalverdacht an. Rammstein, das war, was Hertha-BSC-Fans auf der Zugfahrt hören. Mehr war dazu nicht zu sagen.

Das Bemerkenswerte an «Messer» ist die Häutung dieses Verständnisses am nackten Text. Gewiss, Gedichte schreiben sich freier als Lyrics, brauchen nicht die Eingängigkeit der Refrains. Themen und Sprachfeld aber sind dieselben. Nur: Das Martialische wird plötzlich verdaulich, erstaunliche Vielseitigkeit tritt hervor - Lindemanns Gespür fürs Altdeutsche, für eine spezifische Morbidität, die immer zu tun hat mit Sich-Spüren-Wollen. Er kultiviert, was zuletzt Fritz Lang in den «Nibelungen»-Filmen ungegeißelt unternahm. Ein bisschen frühe Kinski-Poesie ohne dessen unbedingten Fäkalwillen, etwas früher Benn, Poe und Lovecraft, aber mit dunkel-deutschem Hang zum Perversen. Darin hat Lindemann viel Talent.

Die Titel sind «Sautod», «Missfall» oder «Immunschwäche sehr positiv», die Verse, meist paar- oder stabgereimt, handeln von toten Mädchen im Wald, gefressenen Därmen, Onanieren auf Asche, Göttern auf Logenplätzen, Fischgeruch und gesteckten Zungen in allerlei «Gefräß». Viele sind bestialisch («Tot singt»), manche fast zärtlich («Nebel»), einige makaber humorvoll («Big in Japan») und alle drehen sich um Untergang. «Und wenn mir nachts die Sonne scheint, ist niemand da, der um mich weint», dichtet Lindemann. Er hat viele Einfälle für eine Sicht auf das Leben. Poetisch wertvoll ist der Dichter Lindemann vor allem als Sprachentdecker. Er sieht das auch selbst so. «Wörter demolieren und wieder zusammen setzen» sei sein Job, manchmal greift er dazu zum «Wörterbuch des Jägerlatein» und freut sich wie ein Kind, wenn er Perlen findet wie «zum Futterplatz ludern». Lindemann beackert großes, braches Wortgelände, all das, was ihm die «95 Prozent Anti-Deutschen und fünf Prozent Extrem-Deutschen» übrig lassen. Seine Sprache reizt, weil sie explizite Symbolik meidet, den Hang zum Extrem virtuos verschachtelt und, so allein auf weiter Flur, seltsam unverbraucht wirkt.

Sein Lebenssinn ganz im Gegenteil. Lindemann kostümiert das, indem er sich bei Konzerten anzündet. Oder halt schweigt. Irgendwann, als unser Gespräch auf die Liebe kommt, bricht es doch aus ihm. «Wenn wir ehrlich sind, betrügen wir uns alle. Heucheln, Lügen, Betrügen. Das ist das Leben zwischen Mann und Frau. Oder kennst Du irgendeine intakte Ehe?» Er redet sich in Rage. «Es ist alles Scheiße. Es ist wirklich alles totale Scheiße, aber man muss versuchen, sich irgendwie durchzumogeln. Das ist mein Credo. Mehr kann ich dazu nicht sagen.» Die Klaviatur solcher Novembergruselglücksvorstellung kann man nachlesen. Wem das zuviel ist (oder zuwenig), dem mag das Schluss-Poem reichen. «Das Leben birgt auch gute Stunden / hab Fischaugen am Strand gefunden / werd sie auf meine Augen nähen / kann dich dann unter Wasser sehen / und all die bunten Wasserschlangen / aus deinem schönen Schädel fangen». Dreimal geraten, wie es heißt: «Glück».


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zuletzt bearbeitet 01.10.2009 18:07 | nach oben springen

#15

RE : Interviews

in Alles rund um die Band 08.04.2008 16:00
von Tillmania | 7.403 Beiträge

Morgenweb 7.12.2002 Messer - Interview

"Es gibt nichts Schlimmeres als Mittelmaß"

Rammstein-Sänger Till Lindemann weiß, dass er es auch mit seinem ersten Gedichtband nicht allen Recht machen kann

von Gunnar Leue


Till Lindemann ist Sänger der Band Rammstein, die mit ihrem teutonischen Heavy Metal ("Engel"/"Du hast") und den pyrotechnisch ausgeklügelten Bühnenshows berühmt wurde. 1963 in Leipzig geboren, besuchte er die Kinder- und Jugendsportschule in Rostock. Was viele nicht wissen: Lindemann war Vize-Europameister der Junioren im Schwimmen. Später arbeitete er als Zimmermann und Korbmacher, ehe er 1994 nach Berlin zog, wo die Erfolgsgeschichte von Rammstein begann. Nun hat er seinen ersten Gedichtband veröffentlicht.
Wann haben Sie angefangen, Gedichte zu schreiben?
TILL LINDEMANN: Mit 28 oder 29 Jahren habe ich begonnen, Textstrukturen aufzuschreiben. Das waren einzelne zerrissene Sätze, teilweise einzelne Wörter, noch keine Gedichte.

Mochten Sie in der Schule Gedichte?
LINDEMANN: Überhaupt nicht, im Gegenteil. Wenn du gezwungen wirst, etwas zu lesen, macht das nie Spaß. Statt sich wenigstens was aussuchen zu können, hieß es nur: Schreib mal was über dieses oder jenes! Aber so ist eben Schule. Letztlich muss man es selber für sich entdecken. Jeder muss entscheiden, ob er auch mal auf so einer Seitengasse rumfährt und nicht nur auf der Hauptstraße. Das ist auf jedem Gebiet so. Ob Gedichte nun angesagt sind oder nicht, ist mir total egal. Für mich waren sie eine absolute Entdeckung, wenn auch eine späte. Mein Vater (der Kinderbuchautor Werner Lindemann /d.R.) hatte ja auch welche geschrieben, die fand ich aber furchtbar. Deshalb dauerte es eine Weile, bis ich wieder aus der Deckung kam.

Ihre Gedichte werden sicher nicht von jedem verstanden. . .
LINDEMANN: Das ist mir völlig egal.

Mit Rammstein haben Sie sich oft gegen die Unterstellung gewehrt, Sie würden mit rechtem Gedankengut sympathisieren. Haben Sie auch bei Ihren Gedichten die Sorge, missverstanden zu werden?
LINDEMANN: Ich habe Befürchtungen, aber keine Sorge. Ich rechne ganz fest damit, dass es so kommt. Es wird wohl so sein: Entweder werden die Texte angenommen oder total abgelehnt. Doch eigentlich kann das nur gut sein, denn so denkt man über sie nach. Allen Recht machen kann man's sowieso nicht, aber es gibt nichts Schlimmeres als Mittelmaß.

Poesie steht gemeinhin für Feinfühligkeit. Ihre Texte behandeln das Morbide, sind verbale Hinrichtungen, wie es im Vorwort heißt. Wollten Sie den Tabubruch?
LINDEMANN: Auch, obwohl das nicht meine primäre Absicht ist. Andererseits freut man sich schon ein bisschen, dass sich jetzt sicher wieder viele aufregen. Man sollte das mit ein bisschen Schmunzeln betrachten und nicht alles so ernst nehmen.

Macht es Ihnen Spaß zu lesen, was die Kritiker so alles aus ihren Texten heraus und in ihre Denke hinein interpretieren werden?
LINDEMANN: Unbedingt (lacht). Das ist zwar nicht die Intention, weshalb ich die Gedichte veröffentliche, aber ein schöner Nebenbei-Effekt.

Was animiert Sie zu Gedichten?
LINDEMANN: Das kann etwas Erlebtes, Geträumtes, Gelesenes oder im Fernsehen Gesehenes sein.

Den meisten Menschen fällt es schwer, ihre intimsten Gedanken öffentlich preiszugeben. Ihnen offenbar nicht?!
LINDEMANN: Das sich Öffnen kam bei mir nicht von heute auf morgen, sondern passierte in kleinen Schritten. Meine Erfahrung ist, dass die Leute bei meinen Texten immer auf ein Mehr, Mehr, Mehr gewartet haben. Irgendwann habe ich gesagt: Gut, jetzt gehe ich sprachlich ins ganz Derbe über. Es hat auch keinen gestört. Wir leben eben in so einer Zeit. Ich finde es trotzdem fantastisch, wenn man solche intimen Dinge lieber durch die Blume sagt. Aber wenn sich beides verbindet - alte Sprache mit diesen knallharten Parolen von heute, dann kriegt es so was Neobarockes. Es ist wie eine alte Säule mit einem Lackanstrich. Es knallt.

Wo ist der Unterschied, wenn Sie Songtexte oder Gedichte schreiben?
LINDEMANN: Bei Songtexten bekomme ich zuerst die Musik und versuche dazu eine Stimmung zu entwickeln. Das läuft viel filigraner und nach ganz anderen Richtlinien. Man muss einen Refrain bedienen, einzelne Wörter finden, versuchen, die Musik mit dem Wort zu unterstützen. Beim Gedicht bin ich völlig frei.

Sie wollen auch eine Leseshow mit Ihren Gedichten machen?
LINDEMANN: Irgendwann, aber da ist noch nichts Konkretes geplant. Meine Prämisse bleibt aber immer die Musik. Wir arbeiten gerade am neuen Album.

Was sagten Ihre Rammstein-Kollegen zu Ihrer Poesie?
LINDEMANN: Wir kennen uns seit 20 Jahren, da ist man einfach befangen. Die würden nie sagen: Ey, das ist ja geil.

Von„Mannheimer Morgen“

"Messer" von Till Lindemann, Eichborn Verlag, 29,90 Euro[/samll]


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zuletzt bearbeitet 01.10.2009 18:04 | nach oben springen


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